Mona Hatoum im Kunstmuseum St. Gallen

Der eigene Körper als Projektionsfläche für politische wie soziale Themen bildet den Ausgangspunkt für das frühe künstlerische Schaffen von Mona Hatoum, das bereits in den 1980er Jahren international für Aufmerksamkeit sorgte. Im Libanon aufgewachsen und nach London ausgewandert, hat sie die Erfahrung des Exils und des Fremdseins gleichsam am eigenen Leib erfahren und in den 1980er Jahren in radikale Performances übersetzt.

Seit den 1990er Jahren realisiert sie Skulpturen und Installationen, in denen der abwesende Körper als Metapher für Bedrohung und Verletzlichkeit steht. Klare und strenge Formen kontrastieren mit fragilen Materialien, Objekte des Alltags täuschen Behaglichkeit vor, enthüllen aber latent Gefahr. Die von der Künstlerin provozierte Ambivalenz verweist auf Orientierungsverlust an Vertrautem und Fassbarem. In ihren Skulpturen erweitert sie die formalen Möglichkeiten der Minimal Art um die entscheidende Dimension des Politischen und Existentiellen.

Mona Hatoum, 1952 in einer palästinensischen Familie in Beirut geboren, lebt und arbeitet seit 1975 in London. 2004 wurde Hatoum mit dem Sonning-Preis der Universität Kopenhagen und dem renommierten Roswitha Haftmann-Preis (Zürich), 2010 mit dem Käthe-Kollwitz-Preis (Akademie der Künste Berlin) und 2011 mit dem Joan Miró Preis (Barcelona) ausgezeichnet. Die Präsentation im Kunstmuseum St.Gallen ist ihre erste Einzelausstellung in einem Schweizer Museum.

Die St.Galler Werkschau konfrontiert exemplarische Schlüsselwerke der Künstlerin mit neuen, für die Ausstellung realisierten Arbeiten. Sie umfasst raumgreifende Installationen, mehrteilige Skulpturen, Objekte, Fotografien, frühe Videoarbeiten sowie filmische Dokumentationen ihrer Performances. Tausende von glänzenden, durchscheinenden Glasmurmeln, in unterschiedlicher Grösse arrangiert, lassen in "Turbulence" (2012) auf einer quadratischen Fläche ein Muster entstehen, das an Wolkenformationen, Gewässer oder Kontinente erinnert.

Aus Stahl gearbeitete, überdimensionierte Haushaltsgegenstände wie Küchenreiben, stellen sich dem Besucher in "Paravent" (2008) entgegen und schirmen bedrohlich die Durchsicht und den Durchgang ab. "Impenetrable" (2010), eine Installation aus Stacheldraht, ist in einzelnen Drähten an der Decke befestigt, die einen schwebenden undurchdringlichen Kubus entstehen lassen. Filigran in der Ausführung ist der Metalldraht mit starken Assoziationen wie Bedrohung und Gefangenschaft behaftet. "Undercurrent" (2008), eine Bodenarbeit, bestehend aus einem Geflecht von Rot ummantelten Elektrokabeln und mit vielzähligen Glühbirnen bestückt, lassen den vermeintlichen Teppich unbetretbar machen.

Für das Kunstmuseum St.Gallen wird die Künstlerin eine Reihe neuer Arbeiten in Zusammenarbeit mit Produktionsstätten in der Region realisieren. Anlässlich ihres Aufenthaltes in St.Gallen im Mai 2012 konnte sie das Textilunternehmen Jakob Schlaepfer, das für seine hochwertigen Haute Couture- und Prêt-à-Porter-Stoffe weltweit bekannt ist, besuchen, woraus sich die Idee für eine fotografische Arbeit, per Inkjet auf einen mehrlagigen Voile-Stoff übertragen, entwickelte.

Mona Hatoum
7. September 2013 bis 12. Januar 2014