Mode-Utopien. Haute Couture in der Grafik

Die Haute Couture ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts, bereits seit der frühen Neuzeit sind "gehobene Schneiderei" und kostbare Accessoires en vogue. Anhand von Blättern des ausgehenden 15. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre zeichnet die MAK-Ausstellung "Mode-Utopien. Haute Couture in der Grafik" eindrucksvoll die historisch gewachsene Lust am Entwerfen zwischen Utilität und Utopie nach. Eine Auswahl von 200 Beispielen aus der Kunstblätter, illustrierte Bücher, Plakate und Zeitschriften umfassenden MAK-Sammlung lässt fünf Jahrhunderte europäischer Haute Couture Revue passieren.

Die Ausstellung "Mode-Utopien" versteht sich dabei nicht als Gesamtüberblick über die Entwicklung der Modezeichnung, sondern gibt anhand ausgewählter Highlights aus dem Bestand der MAK-Bibliothek und Kunstblättersammlung einen Überblick über die Phänomene der europäischen Modezeichnung. Die Renaissance, die Ära des Aufbruchs und der neuen Trends, manifestiert sich im Einsatz von neuartigen Stoffen und Materialien, wie erhaltene Bildquellen der Kupferstecher Heinrich Aldegrever, Jost Amman und Jacques Callot aus dem 15. bis frühen 17. Jahrhundert belegen. Als Glanzpunkt aus dieser Zeit präsentiert die Ausstellung einen 140 cm langen Holzschnitt von Heinrich Wirri, der anlässlich der Hochzeit Karls II., Erzherzog von Ös-terreich, mit Prinzessin Maria Anna von Bayern entstand. Die in eine Festschrift eingebundene Grafik gibt ein getreues Bild höfischer Prachtentfaltung wieder.

Eine kuriose Satire auf den neuen Stil der Barockzeit und des Klassizismus stellt die 1771 entstandene Kupferstichserie "Mascarade à la Grecque" des französischen Architekten und Dekorateurs Ennemond Alexandre Petitot dar. Wie Architektur und Malerei präsentiert sich die Aristokratie der Barock- und Rokokozeit in exzentrischer Weise, voll Bewegtheit und reichem Dekor. So verbargen riesige Perücken die eigenen Haare, weißer Puder verdeckte den natürlichen Teint und das Kleid nahm Formen an, die denen des Körpers in keiner Weise entsprachen.

Mit der Khevenhüller-Chronik von 1625 präsentiert "Mode-Utopien. Haute Couture in der Grafik" ein weiteres herausragendes Werk der MAK-Sammlung, das bisher der Öffentlichkeit kaum vorgestellt wurde. Großformatige Temperaillustrationen dokumentieren detailgetreu die Geschichte der Familie, deren Persönlichkeiten und Besitztümer. Die prunkvolle Bekleidung der Dargestellten war Vorbild für die Modeentwürfe des Historismus.

Den historischen Stellenwert des Modejournalismus vermittelt die Präsentation mit einem Einblick in die Anfänge der Modezeitschriften. Das von 1786 bis 1827 erschienene Journal des Luxus und der Moden, das Pendant zur französischen Élégance Parisienne, war eine der ersten deutschsprachigen Modezeitschriften, deren reich kolorierte Kupferstiche an der Schwelle vom Klassizismus zum Biedermeier standen. Enge, taillenbetonte und Figur formende Korsetts lösten die luftigen Chemisenkleider der Empire-Zeit ab. Kreisrunde Reifröcke wurden durch zahlreiche Unterröcke gestützt, Ärmel bekamen mit Rosshaar und Fischbein ballonartiges Volumen. Gemusterte Stoffe mit Blümchen, Schleifen und Rüschen sowie Hüte mit Bändern und Blumenschmuck kamen opulent zum Einsatz. Die Einleitung zum ersten Heft behandelt das Thema Luxus in der Mode, wobei Luxus durchaus die verschwenderische Üppigkeit im Alltag meinte.

Als eigentlicher Begründer der Haute Couture gilt der Engländer Charles Frederick Worth. In den 1860er Jahren erhob er die "gehobene Schneiderei" zu einem eigenen Industriezweig. Worth gründete 1868 den Verband Chambre Syndical de la Haute Couture, um seine Entwürfe vor Kopien zu schützen. Bis heute reguliert der Verband die Kriterien für die Teilnahme an dieser elitären Vereinigung. Paul Poiret, Schüler von Worth, ging als erster Modeschöpfer dieses Genres hervor. Anlässlich seines Wienbesuchs im Jahr 1911 kam er mit der Wiener Werkstätte in Kontakt und war von deren Textilien begeistert. Entwürfe von Maria Likarz, Felice Rix, Dagobert Peche und Eduard Wimmer-Wisgrill zeigen die wechselseitige Inspiration auf, die im Mappenwerk Mode Wien 1914/15 gipfelt.

Seit 1863 sammelt die MAK-Bibliothek und Kunstblättersammlung – dem Gründungsauftrag des Museums entsprechend – Vorlagen zur Verbesserung der handwerklichen und ästhetischen Qualität der Erzeugnisse des österreichischen Kunstgewerbes und der Industrie. Diese Sammlung umfasst heute 250 000 Bände (Handschriften und Frühdrucke, Vorlagebücher für alle Bereiche des Kunstgewerbes sowie Künstlerbücher vom 15. bis ins 21. Jahrhundert) und 400 000 Kunstblätter (Ornamentstiche, Vorlageblätter, Stilkopien, Entwurfszeichnungen, Gebrauchsgrafik, Plakate und Fotografien von der Renaissance bis in die Gegenwart).


Mode-Utopien. Haute Couture in der Grafik
13. April bis 4. September 2016
Ausstellungsort: MAK-Kunstblättersaal MAK