Minimal

Die Ausstellung "Minimal. Kunst und Möbel aus der Sammlung des MAK" hat ihren Ausgangspunkt in der amerikanischen Minimal Art, die eine der einflussreichsten Kunstrichtungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war, und setzt sich mit Vorläufern und Weiterentwicklungen im Bereich Möbel und "möbelhafter" Kunst auseinander.

Viele Aspekte einer minimalistischen Ästhetik, die sich vor allem durch eine einfache und klare, zumeist geometrische Formensprache auszeichnet, können bereits an den Architektenmöbeln des frühen 20. Jahrhunderts beobachtet werden. Sie werden in den letzten Jahren vermehrt wieder von zeitgenössischen Künstlern aufgegriffen, die sich in ihren Arbeiten teils explizit auf die Minimal Art berufen. Auch wenn minimalistische Objekte gewöhnlich viel Raum erfordern, um ihre Wirkung auf die Betrachter entfalten zu können, wagt diese Ausstellung – gleichsam nach dem Motto "Maximal Minimal" – eine vergleichsweise große Zahl von Möbeln und Kunstwerken auf engem Raum in den Blickpunkt zu rücken.

Streng genommen gibt es in der Ausstellung nur ein einziges wirkliches Minimal-Kunstwerk zu sehen: ein 1989 entstandenes, unbetiteltes Wandobjekt von Donald Judd. Der 1994 verstorbene Künstler und Architekt Judd war einer der wichtigsten Vertreter der Minimal Art. Nach wie vor ist sein künstlerisches Werk für das MAK von zentraler Bedeutung. Nach seiner wichtigen Ausstellung "Donald Judd: Architecture" (1991), war Judd auch für die künstlerische Inszenierung der Möbel in der 1993 wieder eröffneten MAK-Schausammlung Barock Rokoko Klassizismus verantwortlich; zudem ist er mit verschiedenen minimalistischen Werken sowohl in der MAK-Sammlung Gegenwartskunst, der Möbelsammlung als auch in der Kunstblättersammlung vertreten. Dem entsprechend ist das umfangreich dokumentierte Werk des Künstlers auch einer der Ausgangspunkte von "Minimal". Neben dem Wandobjekt sind verschiedene Möbel Judds zu sehen, die fast mustergültig die Reduktion auf geometrische und kubische Grundformen sowie die Verwendung industriell vorproduzierter Materialien wie gefärbte Aluminiumplatten oder massive Holzbretter vorführen.

Gleichsam als Pendant zu der Position Judds werden verschiedene Möbel von Josef Hoffmann gezeigt, dessen Werk ebenfalls in der Sammlung des MAK vertreten ist. Der Architekt und Designer Hoffmann, der vielen auch für seine Ornamentik ein Begriff ist, hatte sich 1901 in der Zeitschrift "Das Interieur" in einem manifestartigen Text für "Einfache Möbel" ausgesprochen und selbst eine ganze Reihe von auf einfache Grundformen abstrahierte Möbel geschaffen. Wie immer man die Rolle der beiden Antagonisten der Wiener Moderne – Josef Hoffmann, dem Mitbegründer der Wiener Werkstätte, und Adolf Loos, dem Verächter des Ornaments – einschätzen will, die "minimalistischeren" Möbel hat zweifellos Hoffmann entworfen: So können etwa seine Möbel im sogenannten "Brettlstil", deren Konstruktion ihre Fertigung aus einfachen, vorfabrizierten Holzbrettern betonten, als Vorläufer des Minimalismus betrachtet werden. Ausgestellt wird etwa eine Wandetagère aus Weichholz aus dem Jahr 1898 oder ein Küchenschemel, der 1899 für das Paul Wittgensteins Landhaus "Bergerhöhe" in Hohenberg (NÖ) entstand.

Auch die um 1920 entstandenen Möbel des holländischen Architekten und Designers Gerrit Rietveld besitzen schon einige Elemente, die später die Minimal Art auszeichnen sollten. Er verwendete mit Grundfarben bemalte, maschinengeschnittene Vierkanthölzer und Bretter in gängigen Standardmaßen, aus denen er Möbel konstruierte, die lediglich aus geometrisch angeordneten Linien und Farbflächen zu bestehen schienen. Dazu zählt auch der berühmte, seit 1918 in Variationen hergestellte "Rot- Blaue Stuhl", der ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist, und der zu den Architektenmöbeln gezählt werden kann, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als programmatische Manifeste innovativer Lebensentwürfe, gesellschaftlicher Utopien und einer gewandelten – modernen – Raumauffassung verstanden werden konnten. Wohl aus diesem Grund stattete auch Donald Judd seine eigenen Wohn- und Arbeitsräume gerne mit Möbeln von Rietveld aus.

Die Ästhetik der Minimal Art hat ihrerseits ebenfalls eine starke Wirkung auf Designer und Innenarchitekten ausgeübt: Mit Möbeln aus industriell fabrizierten Materialien in schlichten, geometrischen Formen lässt sich zugleich an eine rationalistische Tradition anknüpfen, die für die Zurückhaltung von Form und Dekor, einen strengen Funktionalismus und eine materialgerechte Verarbeitung einsteht und damit auch den Vorgaben einer modernen "Guten Form" entspricht. Neben Hubert Matthias Sanktjohansers "Social Cube" aus variablen, einfach handzuhabenden Grundelementen, werden auch eine einfache Kiste aus der seit 2006 entstehenden "Crate"- Serie von Jasper Morrison sowie Joao Silvas für die MAK Design Week 2009 entworfener "MAK-Table" in der Ausstellung zu sehen sein.

Dem "möbelhaften" Aspekt der Minimal-Kunst entsprechend haben viele zeitgenössische Künstler Möbelformen in ihren Kunstwerken aufgegriffen und sich an Möbeldimensionen orientiert: Heimo Zobernig und Werner Feiersinger scheinen häufig in Möbeln den Ausgangspunkt für ihre raumgreifenden Plastiken zu finden: Durch die Analogie zu Gebrauchsgegenständen sind diese Objekte in der Alltagserfahrung der Betrachter verankert, durch ihre mangelnde Funktionalität vermitteln sie jedoch zugleich ein starkes Irritationsmoment.

Ebenso dient die paraventartige Installation aus rhythmisierten farbig-transparenten Paneelen des britischen Künstlers Liam Gillick "Layered Impasse Screen" aus dem Jahr 1998 den Betrachtern als eine Art künstlerisches Sprungbrett für ein verändertes Raumerlebnis, das dazu anregen soll, das Verhältnis zu den Dingen grundlegend zu überdenken – eine Absicht, die schon in den Kunstwerken der Minimalisten eine wesentliche Rolle spielte. Und während das "Meuble" des französischen Künstlers Guillaume Leblon gewissermaßen den Missing Link zwischen dem "Brettlstil" eines Josef Hoffmann und den Minimal-Möbeln eines Donald Judd darzustellen scheint, war das Werk Judds für den österreichischen Designer Andreas Feldinger ein ganz konkreter Ausgangspunkt: In seiner Hommage "Remember Donald" hat Feldinger ein gängiges Ikea-Möbel zu einer funktionalen Skulptur umgearbeitet und dabei zugleich eine grafische Arbeit Judds ins Dreidimensionale übersetzt.

Minimal
Kunst und Möbel aus der Sammlung des MAK
26. Mai bis 31. Oktober 2010