Metamorphosen des Materials

Vom 15. Oktober bis 21. November 2009 zeigt die Galerie Feurstein in Feldkirch Arbeiten von Günther Holder. Holders Arbeiten behaupten sich im Spannungsfeld zwischen Malerei und Skulptur; sie sind gleichzeitig Ding und Bild. In ihnen verbindet sich die taktile Qualität der Skulptur mit der optischen Sensibilität der Malerei zu einer beide Gattungen reflektierenden Ausdrucksform.

Die in vielen lasierenden Schichten aufgetragene Öl- und Lackfarbe dient der Verdeutlichung des Trägermaterials. Ihre Brillanz, ihr Spiel mit Licht und Schatten, hebt die Plastizität und die Zeichnung des Untergrunds hervor. Das Relief des Malgrundes wiederum bietet der Farbe ein abwechslungsreiches Terrain, auf dem sie ihre volle Leuchtkraft entfalten kann. Wie eine Haut legen sich die Farbschichten auf das Relief der Oberfläche und fungieren als Membran zwischen Innen und Außen. Sie sind einerseits Grenze zwischen Objekt und Umraum und andererseits Verbindungszone – sie sind der Ort, an dem das Material sich artikuliert. Dass Holder die bemalte Oberfläche des Holzobjekts als Malerei versteht, macht er unmissverständlich durch das Abbrechen der Farbe an den Rändern deutlich. Grundierung und einzelne Farbschichten werden nachvollziehbar, die Handwerklichkeit des Farbauftrags wird sichtbar.

Lange Zeit galten Malerei und Skulptur als unvereinbar. Das Dogma der Materialgerechtigkeit sah im Farbauftrag einen Verstoß gegen die Physikalität der Skulptur. Die Tendenz der Malerei, einen Bildraum zu evozieren, widersprach dem bildhauerischen Grundsatz, reale Volumen im Wirklichkeitsraum zu organisieren. Donald Judd beispielsweise, einer der Hauptvertreter der Minimal Art, ließ bei seinen dreidimensionalen Objekten Farbe nur als konsistenten Bestandteil des Materials gelten. Längst ist der Diskurs der Avantgarde in den 60er Jahren über Reinheit und Reduktion der Form historisch. Dennoch oder gerade deswegen bietet er Anknüpfungspunkte für die zeitgenössische Kunst.

Günther Holders künstlerische Arbeit bedient sich einer Rhetorik, die sich an die Formensprache der Minimal Art anlehnt, ohne deren Rigidität zu übernehmen. Seine Version einer Materialgerechtigkeit führt über die Visualisierung der Materialeigenschaften zur Malerei. Gerade weil ihn die Eigenschaften des Materials interessieren, weil er ihren Eigengesetzlichkeiten auf die Spur kommen will, verwendet er Farbe. Farbe ist für ihn nicht Selbstzweck, sondern dient der Verdeutlichung von Form und Struktur des Materials. Obwohl der Malerei eine immer größere Bedeutung im aktuellen Werk Holders zukommt, ist sie nie ohne die plastische Form als Träger denkbar. Im Gegensatz zur Leinwand, die lediglich Vorder- und Rückseite kennt, besitzt die Skulptur ein Innen, das sich auf der Oberfläche manifestiert.

Der mitunter fragwürdigen Suche nach immer neuen Formen setzt Holder die absichtslose Formwerdung natürlicher Prozesse entgegen. Gestalten ist für Holder ein Vorgang zwischen Machen und entstehen lassen. Es ist ein Dialog, den er mit dem vorgefundenen Material führt. Seine Sensibilität entlockt dem Material eine Selbstentäußerung, die über das rein Faktische hinausgeht. Narrativität und Referenzialität lässt Holder zu. Mehr noch: seine assoziativen und mehrdeutig auslegbaren Titel legen eine solche Lesart nahe.
Nikolaus Bischoff

Günther Holder
15. Oktober bis 21. November 2009