Mensch Mayer!

23. Februar 2011 Rosemarie Schmitt
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In einem Interview sprach Albrecht Mayer von der Schmach, die er als Schüler empfunden hatte, weil er damals stotterte. Man wisse eigentlich alles, und dann ginge es nicht. Man könne es nicht sagen! Es käme nichts! Ach, Herr Mayer, ist nicht der umgekehrte Fall um einiges sowohl häufiger als auch peinlicher? Zu viele glauben alles zu wissen und es auch noch sagen zu müssen, und was kommt? Nichts! Das ist eine Schmach, Herr Mayer.

Albrechts Vater, er war Kinderarzt in Bamberg, hatte die großartige Idee, seinen Sohn, quasi als therapeutische Maßnahme, das Spielen eines Holzblasinstrumentes lernen zu lassen. Und Albrecht tat es dem "Sanften Flöter" und seinem Schüler Barlo aus Hans Bemmanns Roman "Stein und Flöte" gleich. Fortan spielte er auf seiner Oboe, was er zu sagen hatte. Er hätte sich kein geeigneteres Instrument auswählen können, hat doch der Klang einer Oboe sehr viel Ähnlichkeit mit der menschlichen Stimme. Doch solche Stimmen, wie sie Albrecht Mayer seinem Instrument entlockt, habe ich nie zuvor gehört. Ich höre Liebe; Liebe zu diesem Instrument, zur Musik, zum Leben und auf der mir vorliegenden CD zu Frankreich und im Besonderen zu der Liebe zu Paris. Prokofjew hatte nicht die Gelegenheit das Oboenspiel von Mayer zu hören, wäre dem so gewesen, hätte er niemals der quackenden Ente in "Peter und der Wolf" die Stimme einer Oboe geliehen.

Ihren Ursprung hat die Oboe in Frankreich und wird dort als hautbois, als das hohe oder laute Holz, bezeichnet. Sie werden, nachdem Sie die CD "Bonjour Paris" gehört haben, feststellen, wie irreführend und wenig zutreffend diese Beschreibung in diesem Falle ist. Die beiden Kompositionen von Gabriel Fauré spielt Albrecht Mayer auf einer Oboe d’amore. Diese ist eine Terz tiefer gestimmt als die Oboe, ihre Klangfarbe ist noch weicher und ihr birnenförmiges Schallstück heißt, wie auch das des Englischhorns, Liebesfuß. Für mich jedoch hört sich jedes Instrument das Mayer spielt, wie eine Oboe d’amore an, soviel Liebe steckt in seiner Musik.

Und wo ich bei dem Thema bin, Albrecht Mayer ist verheiratet. Seine Frau Alexandra ist keine Künstlerin sondern Juristin. Ihr Vater, Andreas Blau, ist Sohn eines Berliner Philharmonikers und seit 1969 Soloflötist bei eben jenem Orchester, in welchem ja auch Albrecht Mayer seit 1992 musiziert. Vielleicht riet Herr Blau seiner Tochter dazu, einen anständigen Beruf zu lernen, statt den eines Künstlers? Nein, das ist nur Spaß liebe Leser, ich schätze Künstler sehr, und halte sie für ausgesprochen anständig. Die meisten jedenfalls. Doch zurück zu der CD, die das Universal-Label Decca, es war bereits im Sommer vergangenen Jahres, veröffentlichte. Zwei Kompositionen dieser Einspielung faszinieren mich ganz besonders.

Zum einen ist es ein Werk, das der junge, in Luzern geborene Komponist Gotthard Odermatt, Albrecht Mayer widmete. Es handelt sich um das erste Bild des dreiteiligen Werkes für Solooboe und Orchester ("Trois Images pour hautbois et orchestre") mit dem Titel "Eté" (Sommer). Ich werde mir einen Hut kaufen müssen um ihn mir aufzusetzen, damit ich ihn ziehen kann vor einem Komponisten wie diesem. Daß zeitgenössische Musik so wundervoll klingen kann! Nix freie Atonalität, keine Gleichberechtigung aller zwölf Töne der temperierten Scala! Als ich diesen "Sommer" hörte, vermutete ich dahinter einen Tonkünstler der 1774, statt wie Odermatt 1974 geboren wurde. Chapeau, Herr Odermatt, Chapeau! Zum anderen fasziniert mich die Blumenuhr! "L’Horlage de Flore" ist eine Suite für Oboe und Orchester, bestehend aus sieben Sätzen von dem französischen Komponisten Jean Francaix. Francaix lebte von 1912 bis 1997 und gehört ebenfalls zu den wenigen "jungen" Komponisten, die außergewöhnlich melodische Musik hervorbrachten.

Es gibt sie tatsächlich, die Blumenuhr. Nicht jede Blume öffnet ihre Blüte zur gleichen Stunde. Das war auch für den schwedischen Naturwissenschaftler Carl von Linné kein Geheimnis. Er schuf ein Blumenbeet in Form eines Ziffernblattes mit zwölf Unterteilungen. Jede dieser Unterteilungen wurde mit den jeweiligen, zu dieser Stunde blühenden Pflanzen bestückt. Und fertig war die Blumenuhr. Jean Francaix hat eine solche "Horloge de Flore" auf seine ganz eigene, geistreiche, humorvolle und graziöse Weise vertont. Ich bin ganz verliebt in die Zwölf-Uhr-Blume! Die "Nyctanthe du Malabar" ist in der Tat ein märchenhaftes Gebilde von der indischen Pfefferküste! Aber auch der Säulenkaktus, die blaue Liebesblume, die Schöne der Nacht, die Klatschnelke... ach, sie sind alle wunderbar! Hören Sie sich dieses Kunstwerk einfach selber an, und Sie werden sehen.

Ich hörte und sah kürzlich auch, und zwar ein Fernsehinterview Albrecht Mayers. Er ist ein unglaublich sympathischer Mensch und seine musikalischen Fähigkeiten stehen außer Zweifel. Er ist fast perfekt und man wird noch viel von ihm hören. Da ist der Bart noch lange nicht ab! Musikalisch gesehen jedenfalls, optisch ist er mir ohne diesen wesentlich lieber!

Mensch Mayer, ohne Bart wären Sie nicht bloß fast perfekt.

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt