Anlässlich der Schenkung eines rund 60-teiligen Konvoluts der dänischen Sammlerin Henriette Friis widmet das MAK Meisen-Kimonos und Haoris aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Ausstellung.
Im zentralen Raum des MAK Design Lab werden farbenfrohe, kühn "all over" gemusterte Stücke mit modernistisch inspiriertem Design aus der Taishō- (1912-1926) und Shōwa-Periode (1926-1989) gezeigt, die die charakteristischen Merkmale dieser besonderen Kimono-Form veranschaulichen. Zugleich erzählen die Muster der Meisen-Kimonos von der Auseinandersetzung Japans mit der europäischen Moderne und ihrer Bedeutung für den Typus der "neuen Frau", bevor westlich geprägte Kleidung den Kimono im Alltag vollständig ablöste.
Die auffälligen Meisen-Kimonos spielten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Japan eine zentrale Rolle für die "moderne Frau". Sie wurden vor allem von Japanerinnen getragen, die berufstätig waren und damit einem nach Unabhängigkeit strebenden Frauentypus entsprachen. Während zu Beginn der ersten Blütezeit der Meisen-Kimonos in den 1920er Jahren westliche Alltagskleidung für die Mehrheit der berufstätigen Männer in Japan bereits die Norm war, blieb sie für Frauen, die noch stärker an traditionelle Rollen gebunden waren, die Ausnahme. Die modern gemusterten Meisen-Kimonos, die von der kulturellen Interaktion zwischen Japan und Europa inspiriert waren, boten Frauen eine ideale Möglichkeit, sich sowohl modern als auch traditionell zu präsentieren. Meisen-Kimonos wurden im Laufe der 1920er Jahre zu einem beliebten Alltags- und Ausgehkleidungsstück für Frauen, nicht zuletzt, weil sie wesentlich erschwinglicher waren als formelle Kimonos aus Seide und sich aufgrund ihres robusten Materials auch zu Hause reinigen ließen.
Für die innovativen Muster der Meisen-Kimonos schöpften die Designer:innen sowohl aus dem japanischen Designrepertoire als auch aus der europäischen Moderne. Deutlich erkennbar sind die Einflüsse der modernistischen Kunst und des Kunsthandwerks, darunter Strömungen wie Jugendstil, Art Déco, Arts and Crafts-Bewegung und Expressionismus. Ein herausragendes Beispiel ist ein Kimono aus der Sammlung Friis mit einer Rose im Stil von Charles Rennie Mackintosh. Umgekehrt hatte der Japonismus, der sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Europa ausbreitete, schon früher begonnen, die westliche Kunst und das westliche Design - unter anderem die Wiener Werkstätte - stark zu beeinflussen. Die Meisen-Kimonos sind somit ein weiterer Beleg für die vielschichtigen kulturellen Transferprozesse und künstlerischen Wechselwirkungen zwischen Europa und Japan.
Während im ausgehenden 19. Jahrhundert Seidenkimonos mit kleinteiligem Muster am Saum und Alltagskimonos aus Baumwolle mit grafischen Mustern verbreitet waren, revolutionierte der Meisen-Kimono in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit modernistischen Einflüssen und kühnen, großflächigen Mustern das Design. Besonders beliebt waren die geschwungenen Linien einiger Meisen-Designs, die bis dahin ausschließlich teuren Seidenstoffen vorbehalten waren. Die verschwommen wirkenden Motive der Meisen-Stücke imitierten - ermöglicht durch Neuerungen im Schablonendruck - kunstvolle, ursprünglich handgefärbte Kasuri- oder Ikat-Stoffe. Dabei griffen sie teilweise auf den traditionellen Formenkanon Japans zurück und wurden gleichzeitig durch ungewöhnliche Kombinationen einzelner Elemente sowie extreme Vergrößerungen ins neue Jahrhundert transportiert.
Zum klassischen Formenkanon der Meisen-Kimonos gehören diagonale und geometrische Muster, darunter Rauten- und Gitterstrukturen. In der zweiten Blütezeit der Meisen-Kimonos in den 1950er Jahren tauchen Elemente auf, die an expressionistische Pinselstriche und modernistische Dekore erinnern. Auch stilisierte Blütenmotive, die an hawaiianische Hemdenstoffe erinnern, sind in dieser Zeit zu finden.
Ihren Namen verdanken die Kimonos dem Material "Meisen" [sprich: "me-i sen"], was wörtlich übersetzt "Rohseide" bedeutet. Es handelt sich dabei um maschinell verarbeitete Schappeseide. Seide war lange Zeit der privilegierten Oberschicht Japans vorbehalten, erst seit Ende des 19. Jahrhunderts führten technologische Innovationen in der Produktion von Schappeseide zu einer größeren Verfügbarkeit des Materials. Sie waren zudem in japanischen Kaufhäusern von der Stange erhältlich und ermöglichten auch weniger "betuchten" Konsument:innen den Umstieg von Baumwolle und einfachen Bastfaserstoffen auf Seide.
Außergewöhnlich an den Meisen-Kimonos ist neben der maschinell verarbeiteten Rohseide mit Ikat-Farbverläufen die oft leuchtende Farbigkeit der Muster, die durch den Einsatz synthetischer Anilin-Farbstoffe erreicht wurde. Jahrhundert gebräuchlichen traditionellen Seidenkimonos und trugen zur Popularität des Kimonos bei, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend zum Symbol für den Wandel der japanischen Gesellschaft und das Wechselspiel zwischen Tradition und Moderne wurde.
Muster der Moderne
Meisen-Kimonos aus der MAK-Sammlung - Schenkung Friis
12. März bis 24. August 2025
Eröffnung: Dienstag, 11. März 2025, 19 Uhr