"The Master of Desaster": Roland Emmerich

26. August 2013 Walter Gasperi
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Der 1955 in Stuttgart geborene Roland Emmerich wollte nie Filme für die Kritiker, sondern immer fürs (junge) Publikum drehen. Kein anderer Regisseur ließ die Welt so oft beinahe untergehen - gleichwohl wurde er mit "Independence Day", "The Day After Tomorrow" und "2012" zu einem der kommerziell erfolgreichsten Regisseure der Welt.

Emmerich wuchs als Sohn einer Unternehmerfamilie im schwäbischen Sindelfingen auf. In den 1970er interessierte er sich für Malerei, wollte zunächst Kunst studieren, schrieb sich dann aber 1977 an der Hochschule für Fernsehen und Film München im Zweig "Ausstattung" ein. George Lucas´ "Star Wars" entfachte dann seine Begeisterung für Science-Fiction und er wechselte ins Regiefach.

Während andere Filmstudenten für Herzog, Wenders und Fassbinder schwärmten, war sein Vorbild Harald Reinl, der sich vor allem mit Edgar-Wallace- und Karl-May-Filmen einen Namen machte. Den Rahmen sprengte schon Emmerichs Abschlussfilm, für den er nicht das übliche Budget von 20.000 DM, sondern annähernd eine Million Dollar benötigte - und auch auftrieb. Mit "Das Arche Noah Prinzip" (1984) schaffte es Emmerich nicht nur in den Wettbewerb der Berlinale - keinem weiteren seiner Filme wird diese Ehre zuteil werden - sondern begeisterte auch optisch und trug ihm den Beinamen "Spielbergle von Sindelfingen".

Emmerichs Ziel war von Anfang an unübersehbar Hollywood und mit den in Deutschland, aber auf englisch gedrehten "Joey" (1985), "Hollywood Monster" (1987) und "Moon 44" (1990), die von der 1985 gegründeten und von seiner Schwester Ute Emmerich geleiteten Firma Centropolis Entertainment produziert wurden, arbeitete er konsequent an diesem Traum.

Indem er statt in Studios in leerstehenden Fabriken und Lagerhallen drehte, hielt er die Produktionskosten relativ niedrig, schuf aber dennoch durch seinen Einfallsreichtum beeindruckende Effekte. Bei der Kritik fielen die Filme über einen Jungen mit telekinetischen Kräften, der Kontakt zu Verstorbenen aufnehmen kann ("Joey"), über einen Konflikt auf einem fernen Planeten, auf dem Sträflinge Rohstoffe abbauen müssen ("Moon 44") und vor allem die Horrorkomödie "Hollywood Monster" durch.

Hemmungslos plünderte der Deutsche, der bei diesen Filmen auch das Drehbuch schrieb, die jüngere Filmgeschichte von "ET" über "Poltergeist" bis zu "Jäger des Verlorenen Schatzes" und "Star Wars", verließ sich aber ganz auf die Zitate und entwickelte keine überzeugende eigene Geschichte.

Dennoch kam der Anruf aus Hollywood. Der Actionfilm "Universal Soldier" (1991), in dem Jean-Claude Van Damme und Dolph Lundgren als zwei durch Gentechnik wieder zum Leben erweckte Elite-Soldaten Terroristen bekämpfen müssen, war zwar kein Wunschprojekt Emmerichs, doch der Film wurde zu einem Überraschungshit und führte zu neuen Angeboten und mehr Freiheiten. Erstmals arbeitete er bei "Universal Soldier" auch mit Dean Devlin, der schon in "Moon 44" mitgespielt hatte, als Drehbuchautor zusammen. Mit ihm zusammen schrieb Emmerich auch die folgenden Drehbücher bis zu "Godzilla" (1998).

Schlag auf Schlag ging es in den folgenden Jahren. Mit "Stargate" (1994) konnte er ein langjähriges Wunschprojekt realisieren. Dünn war zwar die Geschichte um Soldaten und einen Archaölogen, die durch ein in Ägypten gefundenes antikes Tor in die ferne Welt eines fremden Planeten eintreten können und dort das versklavte Volk befreien, doch der Film wurde dennoch - oder vielleicht gerade wegen der dürftigen Geschichte - zum Kassenschlager.

Übertroffen wurde dieser Erfolg freilich noch vom folgenden "Independence Day" (1996), in dem Emmerich erstmals die Welt am Untergang knapp vorbeischrammen ließ. Mit 800 Millionen Dollar Einspielergebnis bei Produktionskosten von 75 Millionen gehört dieser Katastrophenfilm immer noch zu den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten.

Während in "Independence Day" Außerirdische die Welt bedrohten, ging die Gefahr zwei Jahre später vom japanischen Monster "Godzilla" (1998) aus, das Emmerich zu neuem Leben erweckte und New York in Schutt und Asche legen ließ.

Das aktuelle Thema "Klimaerwärmung" griff der hochbezahlte Erfolgsregisseur dagegen in "The Day After Tomorrow" (2004) auf. Wieder ist die Story eher dünn, doch machte der Film mit spektakulären Bildern eindrücklich auf das Problem aufmerksam und brachte es auch einem Massenpublikum nahe.

Den wohl ultimativen Weltuntergangsfilm legte er dann - inspiriert von der Weltuntergangsprophezeiung des Maya-Kalenders - mit "2012" vor. Pures Event-Kino, in dem das Schreckensszenario durch hemmungsloses Überziehen der Effekte mehrfach vielleicht bewusst, vielleicht aber auch unabsichtlich in Komik kippt, ist dieser Katastrophenfilm, der zwar ähnlich erfolgreich wie "Independence Day", mit 200 Millionen Dollar Produktionskosten aber auch ungleich teurer war.

Neben diesen Untergangsszenarien sollte man aber nicht übersehen, dass Emmerich daneben auch immer wieder Filme mit historischem Inhalt gedreht hat. Vom patriotischen Film über den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg "The Patriot" (2000) über die Steinzeitgeschichte "10.000 B.C" (2008) bis zur Auseinandersetzung mit der Historizität der Person Shakespeares in "Anonymous" (2011) spannt sich hier der Bogen. Auch hier überzeugen die Effekte wie die Computeranimation des Londons des 16. Jahrhunderts in "Anonymous" mehr als Handlungsentwicklung und Figurenzeichnung.

Emmerich versteht es zweifellos zu klotzen, mit großem Aufwand den Zuschauer mit spektakulären Bildern zu überwältigen, doch es mangelt den Filmen des bekennenden Homosexuellen zumeist an Herz und Leidenschaft. Weder verfügen sie über eine persönliche Handschrift noch spürt man in ihnen die Motivation des Regisseurs. Viel fürs Auge, aber nichts fürs Hirn wird bei diesem technisch perfekten Popcorn-Kino geboten.

Um einiges Eigenwilliger und spritziger sind da teilweise die Filme, für die Emmerich als Produzent verantwortlich zeichnet. So lustvoll wie Ellory Elkayem in der Horrorkomödie "Arac Attack - Angriff der achtbeinigen Monster" (2002) mit den Mustern der B-Movies der 1950er Jahre spielt, ist kein Film des "Master of Desaster" und er drehte bislang auch keinen so düsteren wie Tim Fehlbaum mit der Zukunftsvision "Hell" (2011).

Zumindest vorerst scheint sich Emmerich jedenfalls von Science-Fiction und globalen Katastrophen verabschiedet zu haben und bleibt mit dem Thriller "White House Down" (2013), in dem es um einen Terroranschlag auf das Weiße Haus geht, in der Gegenwart. Mächtig krachen wird er es freilich dem Trailer nach auch hier lassen.

Trailer zu "White House Down"