Markierungsintervention an Architektur und Landschaft

Ein rotes Band, dass sich wie eine lineare Markierung weithin sichtbar über das historische Gebäude und die angrenzende Parkanlage zieht, steht im Zentrum der grossen Sommerausstellung in der Villa Falkenhorst in Thüringen, die in diesem Jahr von der 1966 in Lustenau geborenen und in Dornbirn und München lebenden und arbeitenden Künstlerin Uta Belina Waeger bestritten wird.

In der Vergangenheit hat Uta Belina Waeger mit Markierungsinterventionen im öffentlichen Raum wie etwa jener auf dem Bregenzer Gebhardsberg (2003) oder in der Johanniterkirche Feldkirch (2004) schon mehrfach für grosses Aufsehen gesorgt. Eine neue Dimension diesbezüglich erreicht die Künstlerin mit der monumentalen "Vermessung" der Park- und Gebäudeanlage der Villa Falkenhorst. Dabei überzieht sie den von John Douglass, 14. Lord of Tilquhillie, in den Jahren 1837/1838 im Stil eines englischen Landhauses errichteten Bau sowie das Falkenhorst-Gelände mit einem weithin sichtbaren roten Band. Waegers Eingriff ist eine lineare Markierung, eine Art Vermessung, eine Sichtbarmachung. Ein grandioses Haus und eine gepflegte Parkanlage werden mit dem Band speziell überschrieben, abgesteckt, gewichtet und sichtbar gemacht. Als Material wählte die Künstlerin für diese Zäsur ein Netzband, wie man es auch bei Aussenfassaden zum Schutz vor Bauschutt einsetzt. Es ist so beschaffen, dass es einerseits Wind und Wetter stand hält, andererseits aber auch eine gewisse Transparenz und Durchsicht gewährt. Die Farbe hat dabei Signalcharakter und steht in einem krassen Kontrast zum Grün des Rasens, zum Weiss der Villa-Fassade und zum Dunkel des Daches. Durch die Signalstärke ist der Eingriff, diese Kennzeichnung von Natur und Architektur, weithin sichtbar. Das Band, das bewusst nicht axial, sondern seitlich der Mittelachse über die Villa gelegt wird, zieht das Gebäude und den Rasen in gewissem Sinne nach, scannt sie ab und macht sie gleichsam in der Landschaft "dingfest". Und im Park ist eine Überlagerung mit einem weissen Netz angesagt. Ein weisses Rechteck aus Vlies, wie man es von der Grossbeetabdeckung im Gartenbau her kennt, liegt "schräg" im Gelände und "unterquert" das Band. Wobei das Weiss, das hier auf das Rot trifft, nicht als Symbolik zum Rot-Weiss-Rot der österreichischen Fahne gedacht ist, sondern es geht hier rein um den Kontrast der Farben. Das weisse Vlies untermauert das Rot des Bandes und jenes das satte Grün des Rasens. Ein wesentliches Anliegen dieser Interventionen Waegers ist es, die Wahrnehmung des Raumes für den Blick des Betrachters optisch zu fokussieren bzw. visuell zu kanalisieren. In diesem Zusammenhang ist der Betrachter auch aufgefordert das Band abzulaufen, es zu überqueren, und sich mit Raum, Architektur und Eingriff auseinanderzusetzen. Abseits solcher Interventionsprojekten stützt sich Uta Belina Waeger im Zuge ihres Schaffens immer wieder auf Materialien wie Eisen und Stahl, Holz, Tee und Kaffe, Papier und Leim. Diese Werk- und Arbeitsstoffe bilden seit vielen Jahren eine direkte Verbindungslinie zwischen den einzelnen Werkkomplexen und Arbeitsabschnitten. Formaler Ausgangspunkt sind dabei häufig Fundstücke. Waeger erschaut und findet, sammelt und häuft an, ordnet und reiht aneinander: Nämlich Gegenstände, die dereinst klar zugewiesene Funktionen gehabt haben und dann sozusagen weggelegt, ausser Betrieb gesetzt wurden. Vor allem Gegenstände mit aggressivem Grundcharakter. Gegenstände, die zum Stechen, Schneiden, Sägen, Bohren und was sonst noch verwendet worden sind. Durch die Ummantelung mit verleimtem Kaffeesud und Teebeuteln solcher tun sich Widersprüche auf: So wird Material, das eigentlich von dauerhafter Haltbarkeit ist, eben Eisen und Stahl, durch Substanzen konserviert, die von organischer und damit vergänglicher Konsistenz sind. Aggressive, spitze, kantige Gegenstände werden genau durch solche Stoffe entschärft, die im Kern gefährdet wären. Das Aggressive wird durch die Umhüllung zwar unterlaufen, aber die Transparenz der Hülle lässt wiederum den Blick auf die ursprüngliche Bedrohung aufrecht. Das Bedrohliche als solches bleibt somit unterschwellig latent akut. Umgedreht wird folglich auch das volkstümliche Sprichwort "Harte Schale, weicher Kern". Bei Waeger ist die Schale weich, der Kern hart, der Panzer ist innen, die Weichteile sind aussen. Ausserdem verschiebt sie Unästhetisches, Abstossendes, Vorgefundenes, Rostendes und Riechendes in neue kontextuelle Beziehungsgefüge. Bei der Zusammenstellung von Zyklen und Gruppen geht Waeger stets vom Ort der Präsentation aus. Für jeden Raum der Intervention erstellt sie ein eigens entwickeltes, exakt abgestimmtes Konzept. Gerade anhand ihrer Boden-Skulpturen, Verhäutungsformationen und des dreizehnteiligen Zyklus’ von grossformatigen Tafeln im Untergeschoss der Villa Falkenhorst wird dies offenkundig. Sommerausstellung Uta Belina Waeger 26. Juni bis 16. August 2015 Öffnungszeiten: Sonntag 15 bis 17 Uhr u. bei Veranstaltungen