Maria Netter. Kunstkritikerin und Fotografin

Das Museum Tinguely zeigt eine dokumentarische Ausstellung mit rund 100 ausser-gewöhnlichen und bislang grösstenteils unveröffentlichten Reproduktionen von Schwarz-Weiss-Fotografien der in Basel wohnhaften und dort verstorbenen Journalistin und Kunstkritikerin Maria Netter (1917–1982). Die aus einer jüdischen Familie stammende Maria Netter verliess Berlin 1936, um in Basel zu studieren.

Nach dem Studium der Kunstgeschichte avancierte sie zu einer der einflussreichsten und mutigsten Kritikerinnen der zeitgenössischen Kunstszene im deutschsprachigen Raum. Man sah die autodidaktische Fotografin Maria Netter kaum ohne ihre Kleinbildkamera Leica M3, die in den frühen 1940-er Jahren auf den Markt kam, und die es ihr erlaubte, ohne Blitzlicht Schnappschüsse zu machen.

Auf ihren Kunststreifzügen entstanden u.a. Fotos von Künstlern, Galeristen, Sammlern, Museumskuratoren und Ausstellungseinrichtungen, aber auch von vielen Freunden. Ihre Texte illustrierte sie vielfach mit eigenen Fotografien. Noch während ihres Studiums begann Maria Netter als Kunstreferentin für die Basler Nachrichten zu schreiben. Seit 1943 erschienen ihre Berichte zudem in der Basler National-Zeitung, oder auch im St. Galler Tagblatt und in den Luzerner Neusten Nachrichten. Danach schrieb sie als freie Mitarbeiterin für wichtige Schweizer Kunstmagazine und Zeitungen wie u.a. Das Werk, Graphis oder die Schweizer Monatshefte sowie für Die Weltwoche, die Zürcher Tat und die Schweizerische Finanzzeitung.

Maria Netter war eine feingeistige, kultivierte Intellektuelle, eine Kunstjournalistin mit rebellischem Geist, fantasievollem Humor und einer grossen Leidenschaft für die Fotografie. Zusammen mit den Kritiken, die sie zumeist auf der Basis persönlicher Interviews mit Künstlern und namhaften Akteuren des schweizerischen und internationalen Kunstbetriebs verfasste, sind ihre Fotos ein lebendiges Dokument des grossen Aufschwungs und der damit einhergehenden Veränderungen der Bildenden Kunst in den Jahren 1945 bis 1975.

Vom Neuanfang der Abstraktion nach dem Zweiten Weltkrieg hin zum amerikanischen Abstrakten Expressionismus, über Pop Art, Nouveau Réalisme und Minimal Art zur Concept Art, von der Arte Povera zu Happening und Performance: Maria Netter war eine "Augenzeugin der Moderne". Ihre Fotos und Texte erzählen Kunstgeschichte. Ihre Porträts und Fotoreportagen von Künstlern vermögen auch Jahrzehnte später, dem Betrachter das Charismatische der verschiedenen Künstlerpersönlichkeiten zu vermitteln (u.a. Alexander Calder, Alberto Giacometti, Joseph Beuys, Irène Zurkinden, Jean Tinguely, Niki de Saint Phalle). Dies gilt vor allem für die Porträts, in denen eine deutliche Sympathie und Vertrautheit zwischen Künstlerin und Fotografin zu spüren ist.


Die Ausstellung findet zeitgleich mit dem Erscheinen der reich bebilderten Publikation "Augenzeugin der Moderne 1945–1975. Maria Netter, Kunstkritikerin und Fotografin" statt, die von Bettina von Meyenburg und Rudolf Koella im Basler Schwabe Verlag herausgegeben wird. Das Buch hat den internationalen künstlerischen Aufbruch nach dem Zweiten Weltkrieg zum Thema, einer einzigartigen Zeit mit aussergewöhnlichen Künstlern, bedeutenden Sammlern, bahnbrechenden Kunstvermittlern und mutigen Galeristen. Beobachtet und begleitet wurde dieser Aufbruch in Wort und Bild durch die Kunstkritikerin Maria Netter, deren Texte und Fotografien hier zum ersten Mal geschlossen zugänglich gemacht werden.

Maria Netter. Kunstkritikerin und Fotografin
28. Oktober 2015 bis 7. Februar 2016