„Mein Stil hat Pause“ ist der Titel einer überarbeiteten Dissertation von Claire Hoffmann über Maria Lassnig, die neue Perspektiven auf das Schaffen einer der wichtigen Malerinnen des 20. Jahrhunderts eröffnet. Gut strukturiert, mit vielen Originalzitaten, und reich bebildert, wird das umfassende wissenschaftliche Buch doch sehr gut lesbar.
Maria Lassnig (1919–2014) schuf im Laufe ihres Lebens ein umfangreiches malerisches, zeichnerisches und filmisches Werk. Der von ihr entwickelten „Körpergefühlsmalerei“, galt lange die größte Aufmerksamkeit. Dass die österreichische Künstlerin ihr Leben lang auch Hunderte Seiten von Notizheften und lose Blätter vollschrieb sowie Kleider und Kostüme nicht nur entwarf, sondern selber nähte und auch trug, ist hingegen weniger bekannt. Bislang kaum untersucht worden ist, dass sie unterrichtete und fotografierte und mit dem Schriftsteller und Sprachtheoretiker Oswald Wiener kognitive Experimente durchführte und danach Aquarellzeichnungen in Rasterform malte.
Die Kunsthistorikerin und Kuratorin Claire Hoffmann eröffnet in diesem Buch eine ganzheitliche Sicht auf die Künstlerin. Lassnig tritt darin als vielseitige, bewegliche Person hervor, die ihre Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Medien, Strategien und Einflüssen verbinden und diese vielschichtig für sich umsetzen konnte. Hervorgehobene Textpassagen mit dem Originalton Maria Lassnigs machen das Querlesen einfach. So kommt sie auch bezugnehmend auf den Titel zu Wort: „Es ist mir nie um Stil gegangen, ich hatte genug zu tun, das täglich, stündlich, sekündlich sich verändernde Existenzielle, das ich bin einzufangen und zu bannen. Irgendwie? Nein, die Form musste immer sehr erarbeitet werden“. Oder: „Ich nannte meine Body-awareness-painting zuerst ‚introspektive Erlebnisse‘, später nannte ich sie überhaupt nicht mehr, als ich meine Knödel und Quadrate als ‚Selbstportraits‘ behauptend nur Hohn erntete.“ Das dem zweiten Kapitel titelgebende Zitat der „Linien, die noch nicht gezogen wurden“ setzt sich folgend fort: „… (klingt großspurig aber ich glaube oft, ich tat es doch u. andere folgen der Spur.)“
Wichtig für eine umfassende Analyse von Lassnigs schriftlichen Äußerungen und Werkkommentaren war für die Autorin das Studium der Autografen im Archiv der Maria Lassnig Stiftung. Die dort aufbewahrten, die ganze Schaffenszeit überspannenden 60 Notizhefte, 11 Filmhefte, 33 Notizblöcke und etwa 60 weiteren losen Konvolute an Notizen konnten integral gelesen werden.
Seit 2015 widmet sich die Maria Lassnig Stiftung, in dem von ARTEC Architekten als Depot-, Bearbeitungs- und Ausstellungsräume umgebauten ehemaligen Atelier der Künstlerin, der langfristigen Sicherung Lassnigs Werks. Die Stiftung befasst sich mit der Erstellung eines umfassenden Werkverzeichnisses, sowie mit der restauratorischen Erfassung und Inventarisierung der Werke in der stiftungseigenen Sammlung. Außerdem gibt es Forschungskooperationen, Publikationen und Medienprodukte werden unterstützt sowie entwickelt, wie bei diesem Buch, bei dem die Stiftung Herausgeberin ist.
Diese Publikation ist geeignet, sich weiter auf die Spuren Maria Lassnigs zu begeben (siehe Artikel kultur online) und ganz neuen, interessanten Facetten dieser Künstlerin zu begegnen.
Claire Hoffmann – Maria Lassnig „Mein Stil hat Pause“
Herausgegeben von der Maria Lassnig Stiftung
Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich, Dez. 2024
Broschiert, 344 S, 105 farbige, 24 s/w-Abb., 17 x 24 cm
ISBN 978-3-03942-240-1