Macht der Machtlosen

Kann Kunst den Machtlosen Macht geben? Und wenn ja, welche Strategien entwickeln Künstler um den weniger sichtbaren oder gar gänzlich unsichtbaren Teilen der Bevölkerung eine Öffentlichkeit zu verschaffen? Vom 16. November 2013 an präsentiert "Macht der Machtlosen" eine Vielzahl globaler zeitgenössischer Positionen, die sich durch einen gesellschaftspolitischen Fokus auszeichnen. Dabei fallen die jeweiligen künstlerischen Strategien höchst unterschiedlich aus.

Ein besonders wirkmächtiges Bild schafft die mexikanische Künstlerin Teresa Margolles, die in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden die raumgreifende Installation "La Promesa" erstmals außerhalb ihres Heimatlandes zeigt. 25 Tonnen Schutt teilen den großen Oberlichtsaal: ein Mahnmal für die eskalierende Gewalt in Ciudad Juarez, der am stärksten von Drogenkriegen geprägten Stadt Mexikos. Margolles ließ für "La Promesa" ein komplettes Wohnhaus aus einem Stadtteil abtragen, der einst als "Paradies in der Stadt" beworben wurde. Heute ist dieser ausgestorben, die Bewohner hatten den Drogenkämpfen nichts entgegenzusetzen. Ein umfangreiches Archiv der Künstlerin, zu sehen in einem separaten Ausstellungsraum, dokumentiert die gesamte Entwicklung.

Die Arbeit des ägyptischen Künstlers Alaa Awad ist erstmals innerhalb einer Museumsausstellung zu sehen. Seine in Kairo entstandenen "Murales" gingen durch die Weltpresse als eine neue Form des Protestes innerhalb des Arabischen Frühlings. In der Kunsthalle hat Awad ein figurenreiches und farbintensives Wandgemälde geschaffen, das die Figuren und Motive altägyptischer Kunst aufgreift und in einen zeitgenössischen Kontext stellt. Christoph Faulhaber beantwortet die machtpolitische Diskussion zwischen Deutschland und Russland um das Bernsteinzimmer mit Witz und Ironie, indem er das Streitobjekt kurzerhand aus Popeln rekonstruiert. Die slowenische Gruppe IRWIN ist mit einem eigenen Staat im fiktiven Raum unterwegs. Silke Wagner wiederum gibt linken Aktivisten eine ganz konkrete Plattform mit ihrem so genannten "Lufttransa Deportation Class"- VW-Bus.

Lokale Anbindung erhält das Ausstellungsthema zudem durch das Urban Gardening Projekt Prinzessinnengarten aus Berlin. Nachdem bereits Tobias Rehberger und Daniel Buren das Café Kunsthalle gestaltet hatten, ist nun das Team des Prinzessinnengartens an der Reihe. Seine Prinzipien von Regionalität, Nachhaltigkeit, Sozialverträglichkeit und Ressourcenschonung finden sich in neuem Mobiliar, den Einrichtungsgegenständen, ja sogar der Speisekarte wieder. Bereits im Vorfeld der Ausstellung fanden zahlreiche Workshops und Schulprojekte statt. Durch diese ergaben sich vielfältige Anknüpfungspunkte in der Stadt und zu neuen Gesellschaftsgruppen.

Macht der Machtlosen ist der zweite Teil eines Ausstellungsprojektes zum Thema der künstlerischen Einflussnahme auf die Zivilgesellschaft. Mit "Bilderbedarf. Braucht Gesellschaft Kunst?" wurde im Herbst/Winter 2012/13 die jüngere Zeitgeschichte Deutschlands seit 1945 in den Blick genommen. "Macht der Machtlosen" erweitert die Fragestellung auf den globalisierten gesellschaftlichen Diskurs. Der Titel der Ausstellung entstammt einem gleichnamigen Essay von Vazlav Havel. Dieser hatte die "Macht der Machtlosen" 1978 als eine Kraft beschrieben, die von unten nach oben auf Veränderung abzielt.

Mit Werken und Projekten von Alaa Awad, Maja Bajević, Christoph Faulhaber, IRWIN, Teresa Margolles, Metahaven, Rabih Mroué, Bettina Pousttchi, Urban-Think Tank, Silke Wagner und Prinzessinnengarten

Katalog: "Macht der Machtlosen / Power of the Powerless", Johan Holten (Hg.), Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, mit Texten von Johan Holten (Vorwort), Hendrik Bündge, Ksenija Čočkova, Regine Ehleiter, Luisa Heese, Nadia Heinsohn, Susanne Petersen, Elena Korowin, Jakob Raček, 135 Seiten, deutsch/englisch, Museumsausgabe EUR 20, im Buchhandel EUR 28, ISBN: 978-3-86335-457-2

Macht der Machtlosen
16. November 2013 bis 9. Februar 2014