Lust auf Pasticcio?
Hier eines der besten Rezepte: Man nehme etwas Händel, mische eine nicht zu knappe Portion Leo unter und würze es mit reichlich La Scintilla. Ein Genuß, sage ich Ihnen, ein Genuß!
Meine Leser wissen, dass es sich bei diesem Pasticcio um ein Musikstück oder eine Oper handelt, dass oder die aus verschiedenen Werken zusammengesetzt wurde. Das ursprüngliche Werk, setzte der Komponist in der Tat aus verschiedener seiner eigenen Kompositionen zusammen. Zu jener Zeit, im Jahre 1710/11, war dies durchaus üblich und legitim.
Ich spreche von Georg Friedrich Händels Oper Rinaldo. Es war die erste Oper des Komponisten, die in London uraufgeführt wurde. Viele andere sollten noch folgen. Händel hatte seinen Rinaldo in London spektakulär in Szene gesetzt, was den großen Erfolg, neben der wundervollen Musik, erklärt. In den der Premiere folgenden sechs Jahren wurde die Oper fast 50-mal aufgeführt.
Die ersten Male konnte das Publikum die Vorstellung noch ohne Kopfbedeckung ungestört geniessen. Für alle folgenden Aufführungen wurde den Zuschauern eben eine solche empfohlen. Es war nämlich so, dass bei der Premiere ein Schwarm Spatzen, planmäßig zur Überraschung und Erheiterung aufgeflogen war. Diese theaterbegeisterten Spatzen weigerten sich jedoch, auf dieses Zuhause wieder zu verzichten. Sie blieben und verrichteten allerhand Dinge... ob Publikum unter ihnen oder nicht. Ich kann verstehen, weshalb sie blieben. Wo bitte erntet man denn als Spatz fürs reine Sein solchen Applaus?!
Händel, geboren im deutschen Halle und späterer Engländer mit Migrationshintergrund, war 26, als er Rinaldo während seines ersten Aufenthaltes in London komponierte. Die Londoner hatten ihren „Composer of the Opera“, und Händel eine neue Heimat gefunden. Von jenem Rinaldo existieren jedoch derer zwei! Und das kam so:
Der Kastrat Nicolò Grimaldi, der das Werk in London aufgeführt hatte, schmuggelte Händels Partitur auf illegalem Wege nach Neapel. Einmal dort angekommen geriet das Werk in die Hände regionaler Komponisten, darunter auch Leonardo Leo. Dieser richtete das Stück nach dem Geschmack des neapolitanischen Publikums ein, fügte Intermezzi und ganze Charakterrollen hinzu. Leo verpasste Händels Oper einen mediterranen Anstrich, doch die Partitur ging verloren und wurde erst vor wenigen Jahren wiederentdeckt.
Die Geschichte des Stücks in dieser Fassung ist faszinierend: Regisseur Giorgio Sangati hat Leos Bearbeitung in eine »Ba-Rock«-Oper verwandelt, der Konflikt zwischen Türken und Christen wird bei ihm zu einer Auseinandersetzung zwischen Pop-Sternchen und Hardrock-Stars. Beide Fraktionen repräsentieren unterschiedliche Ansichten zu Leben und Liebe. Fabio Luisi und das auf Barockoper spezialisierte Ensemble La Scintilla sind hervorragende Interpreten dieser außergewöhnlichen Fassung von einer von Händels bekanntesten Opern.
Schauen Sie sich das mal an!
Weltersteinspielung von Leonardo Leos Händel-Pasticcio.
Präsentiert vom Opernfestival Valle d’Itria ist dies die erste neuzeitliche Bühnen-Aufführung und somit die DVD-/Blu-ray-Weltpremiere von Leonardo Leos Einrichtung von Georg Friedrich Händels Rinaldo (Dynamic (Naxos Deutschland)
Genießen Sie dieses Pasticcio und haben Sie eine gute Zeit!
Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt
Die Meinung von Gastautoren muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. (red)