Ab Februar 2015 zeigt das Mumok auf vier Ebenen einen der weltweit bedeutendsten Bestände der Pop Art: die Sammlung des deutschen Industriellenpaars Peter und Irene Ludwig. In der groß angelegten Überblicksausstellung werden rund 100 Werke aus sieben Häusern zusammengeführt, die mit ihrem Namen verbunden sind. Exponate aus dem Museum Ludwig, Köln, dem Ludwig Forum für Internationale Kunst, Aachen, dem Ludwig Museum im Deutschherrenhaus Koblenz, dem Kunstmuseum Basel, dem Ludwig Múzeum, Budapest, sowie dem Ludwig Museum für internationale Kunst, Peking, und dem Mumok sind bis September 2015 in Wien zu sehen.
Schneller als jede andere Kunstrichtung des 20. Jahrhunderts setzte sich die Pop Art auf dem Kunstmarkt durch und wurde gleich nach ihrem Auftauchen vielfach und unter großem Publikumsandrang in den USA ausgestellt. Peter und Irene Ludwig begannen Anfang der 1960er-Jahre die Kunst amerikanischer Pop-Art-KünstlerInnen für sich zu entdecken – zu einer Zeit, als man diese Kunstrichtung in Deutschland kaum kannte. Erst mit Auftritten auf der Biennale di Venezia 1964 und der documenta 4 (1968) in Kassel wurde die Pop Art auch in Europa einem breiten Publikum bekannt.
Das Interesse des Ehepaars Ludwig betraf jene Künstler, die heute als legendäre Protagonisten der Pop Art gelten: Jim Dine, Robert Indiana, Jasper Johns, Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg, Robert Rauschenberg, James Rosenquist, Andy Warhol und Tom Wesselmann. Ihrem Gespür für die Bedeutung dieser Künstler ist die größte Sammlung amerikanischer Pop Art außerhalb der USA zu verdanken. Für die Ausstellung "Ludwig Goes Pop" im mumok wird der auf verschiedene Häuser in Europa aufgeteilte Bestand des Sammlerpaars erstmals wieder zusammengeführt und somit exemplarisch darstellbar. Bücher, Schallplatten und Filme der Zeit ergänzen die Ausstellung und betten die Werke in einen größeren soziologischen Kontext ein.
In den Arbeiten der Pop Art spiegelt sich das Lebensgefühl der 1960er-Jahre wider. Mit ihrer Kunst reagierten die KünstlerInnen auf die zunehmende Kommerzialisierung der Nachkriegsgesellschaft und die verstärkte Präsenz von Massenmedien wie Fernsehen, Werbung und Zeitschriften. Die Pop Art interessierte sich für die Verpackung, den äußeren Schein, das Klischee, das Zitat. Es wurde kein Unterschied zwischen Hoch- und Trivialkultur gemacht. Mit der Darstellung des Realen in der Kunst ging zugleich eine ambivalente Haltung einher, die zwischen der Faszination für die verführerischen Klischees der Waren- und Werbewelt und deren Ablehnung als Inbegriff des "Kitschs" (Clement Greenberg) und des "falschen Bewusstseins" (Theodor W. Adorno) hin- und herpendelte.
Die KünstlerInnen eigneten sich die zeitgenössische Werbeästhetik an, bedienten sich populärer Produktions- und Ausdrucksmittel wie Fotografie, Film oder Comics und erhoben sie in den Status kontemplativer Betrachtung, während sie gleichzeitig die Klischees der sogenannten Hochkunst spöttisch parodierten. Sie beschäftigten sich mit urbanen Erlebniswelten und den Oberflächen des Konsums. Der Illusionsgrad der gegenständlichen Bildmotive wurde bis zum Äußersten getrieben, war doch die medial vermittelte Realität, ihr konsumierbarer, äußerer Schein, das Thema der Pop Art. Die Pop Art kann mithin auch als Versuch gelten, soziologische Auswirkungen und ideologische Implikationen kommerzieller Kommunikationsformen zu analysieren.
In der Ausstellung im Mumok liegt der Fokus auf Arbeiten von Mitte der 1950er-Jahre bis Mitte der 1970er-Jahre. Die wichtigsten VertreterInnen der amerikanischen Pop Art wie Duane Hanson, Robert Indiana, Jasper Johns, Roy Lichtenstein, Robert Rauschenberg, Andy Warhol oder Tom Wesselmann sind mit größeren Werkgruppen und Schlüsselwerken vertreten. Daneben werden mit Exponaten von Peter Blake oder Richard Hamilton Hauptvertreter der britischen Ausprägung der Pop Art vorgestellt.
Einer der wichtigsten Ankäufe von Peter und Irene Ludwig waren Claes Oldenburgs "Mouse Museum" und der zeitlich parallel dazu entstandene "Ray Gun Wing". Diese zwei Hauptwerke der Pop Art werden prominent auf der obersten Ebene des Mumok präsentiert. Verhandelt der "Ray Gun Wing" die Waffe in ihren verschiedensten Ausformungen, ist das "Mouse Museum" ein begehbares "Museum" in Form einer geometrisierten Mickey Mouse, für das Oldenburg seit den späten 1950er-Jahren Konsumwaren, Souvenirs, Kitschobjekte, Mitbringsel und Ateliermodelle sammelte.
Die Synthese aus Trivialkultur und musealem Anspruch ist Vorbild für den zeitgenössischen Ausstellungsbeitrag der am Goldsmiths College gegründeten "Villa Design Group" (Than Hussein Clark, James Connick und William Joys). Während der Laufzeit von "Ludwig Goes Pop" eröffnet sie ein Pop-up-Museum im Mumok: das "Bernard Natan Centre for the Arts". Mit Blick auf Oldenburgs Hauptwerk entwirft auch die Villa Design Group einen spektakulären Masterplan für ein Museum. Im Zentrum ihrer Museumsparaphrase steht der rumänisch-französische Produzent, Regisseur und Schauspieler und erste homosexuelle Pornodarsteller Bernard Natan, der 1942 in Auschwitz ermordet wurde.
Als Inhaber der Pathé-Filmgesellschaft war er in den 1930er-Jahren einer der erfolgreichsten Filmproduzenten weltweit. Zwischen 1929 und 1935 entstanden in seinem Studio rund 70 Spielfilme. Er war es auch, der Walt Disneys Mickey Mouse nach Europa importierte. Verhandelt die Pop Art zwischen Hoch- und Trivialkultur, führt die Villa Design Group eine weitere Ebene ein, indem sie mit Natan eine schillernde Figur aus der queeren Subkultur der 1930er-Jahre als Star ihrer Erzählung in Stellung bringt.
Alles, was heute scheinbar selbstverständlich in ein Museum integriert ist, bietet auch das Bernard Natan Centre for the Arts: Ein Café, ein Kino, ein Buchladen sowie ein Bereich für Kunstvermittlung sind Teil der Museumssimulation. In den einzelnen Bereichen laufen von der Villa Design Group produzierte Werbevideos. In ihnen bedient sie sich, wie auch Andy Warhol dies perfekt beherrschte, des Starkults um verschiedene Symbolfiguren aus der Zeit des Booms rund um die Pop Art und den Kinofilm. KünstlerInnen, DesignerInnen und FilmemacherInnen sind in den Plot eingebunden. Bernard Natan selbst, Adrienne Gorska (Natans Filmarchitektin), Tamara de Lempicka (Gorskas Schwester), aber auch Andy Warhol, Robert Rauschenberg, Jasper Johns und John Cage treten auf.
Katalog "Ludwig Goes Pop". Herausgegeben von Stephan Diederich, Luise Pilz (Museum Ludwig Köln). Mit Vorworten von Katia Baudin, Karola Kraus und Isabel Pfeifffer-Poensgen. Neben Textbeiträgen u. a. von Walter Grasskamp, Brigitte Franzen, Susanne Neuburger, Klaus Honnef, Regine Wyrwoll und Rudolf Zwirner illustrieren den Katalog Dokumente und Bildmaterial rund um Peter Ludwig und die Pop Art sowie eine ausführliche Bildstrecke mit den einzelnen Werken der Ausstellung. Statements u. a. von Jim Dine, James Rosenquist, Jasper Johns, Robert Indiana, David Hockney zur Pop Art vervollständigen die Publikation. Deutsch und englisch, 304 Seiten, 180 Farbabbildungen. Ausstattung: Softcover, Preis: EUR 29,80 (Museumsausgabe), EUR 38,– (Buchhandel). ISBN 978—3-86335-599-9
Die Ausstellung entsteht in Zusammenarbeit mit dem Museum Ludwig, Köln, wo sie in anderer Form bis 11. Jänner 2015 zu sehen war.
Ludwig Goes Pop
12. Februar bis 13. September 2015