Lucerne Festival im Sommer - ein Naturereignis

Die "Natur" bildet den Leitgedanken für das Sommerfestival 2009 – ein in Luzern buchstäblich naheliegendes Thema: tagsüber in die Berge und abends in die "Alpensinfonie"! Landschaften, Naturlaute, Vogelstimmen, Jahreszeiten und Wetterkapriolen wurden (und werden) in Musik übersetzt. Die Natur erscheint als Muster und Massstab, sogar als Lehrmeisterin der Kunst.

Sie bietet nicht allein den Stoff der Musik, sie umschliesst auch das Formgesetz, das Wunder der Verwandlung, das Gleichnis der Vergänglichkeit, das Rätsel der Wiedergeburt. Seit jeher haben Komponisten die Klänge der Natur einzufangen versucht: den Gesang der Vögel, das Rauschen des Bachs, das grollende Gewitter, die Schwüle eines heissen Sommertags. Gustav Mahler brachte ihre Bedeutung für die Tonkunst auf den Punkt: "Muster ist uns die Natur. Wie sich in ihr aus der Urzelle das ganze All entwickelt hat, über die Pflanzen, Tiere und Menschen hinaus, so sollte sich auch in der Musik, aus einem einzigen Motiv, ein grösseres Tongebäude entwickeln, aus einem einzigen Motiv, in dem der Keim zu allem, was einst wird, enthalten ist."

"Wie ein Naturlaut": Mit dieser Spielanweisung beginnt Mahlers Sinfonie Nr. 1 und dieses Werk wird das Sommerfestival eröffnen. Wie Musik die Natur nachahmt, abbildet oder beschwört, wird zum Beispiel in Debussys "La Mer", in Strauss’ "Alpensinfonie", Janáčeks "Sinfonietta", Weberns "Im Sommerwind" oder Saariahos "Lichtbogen", erlebbar. Das Festivalthema dreht sich aber genauso um das Ideal der "Natürlichkeit", das etwa Schubert u.a. in seinen Sinfonien Nr. 5 und Nr. 8 oder Haydn in "Die Jahreszeiten" zu verwirklichen suchten. Es kreist um die Naturphilosophie wie bei Strauss’ "Also sprach Zarathustra" und es geht nicht zuletzt um das Phänomen der menschlichen Natur, nachzuempfinden bei den ausgewählten Liedern von Schubert und Brahms, Martins "Jedermann"-Monologen oder "Desérts" von Varèse.

Mit Kaija Saariaho und Jörg Widmann prägen zwei "composers-in-residence" das Festival, die eine unverwechselbare Klangsprache entfalten und ihren eigenen Weg gehen jenseits der Schulen und Doktrinen Neuer Musik. Im Zentrum von Kaija Saariahos Programmen für Luzern stehen die schweizerische Erstaufführung von "Laterna Magica", einem Auftragswerk der Berliner Philharmoniker und Lucerne Festival, sowie Live-Elektronik-Kompositionen – passend zum Schwerpunkt der diesjährigen Akademie unter Pierre Boulez. Jörg Widmann wird als Komponist, Klarinettist und Dozent der Lucerne Festival Academy seine immense Schaffensvielfalt zeigen. Sein neues Oboenkonzert, ein Auftragswerk des Festivals, wird Heinz Holliger uraufführen. Der mit dem Festival eng verbundene Universalmusiker Heinz Holliger wird anlässlich seines 70. Geburtstags mit einem Konzert geehrt, bei dem er als Oboist, Dirigent und Komponist auftritt.

Als "artistes étoiles" werden zwei aussergewöhnliche, weltweit bewunderte Künstler begrüsst: die Mezzosopranistin Magdalena Kožená und der Pianist Yefim Bronfman. Mit beeindruckender Vielseitigkeit, in wechselnden Epochen und Besetzungen, werden sie den Luzerner Festspielsommer bereichern.

Claudio Abbado und sein Lucerne Festival Orchestra werden zwei Programme erarbeiten, das Festival eröffnen und fünf Konzerte geben. Im ersten tritt die 1987 in Peking geborene Pianistin Yuja Wang als Solistin in Prokofjews Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 auf, bevor Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 1 erklingt. Das zweite Programm des Lucerne Festival Orchestra ist ausschliesslich Gustav Mahler gewidmet: "artiste étoile" Magdalena Kožená singt die Rückert-Lieder, gefolgt von Mahlers Sinfonie Nr. 4. Die diesjährige Auslandsresidenz des Orchesters führt im September nach Peking.

Zwischen den Sinfoniekonzerten geben die Solisten des Lucerne Festival Orchestra drei Kammerkonzerte. Bei ihrem Programm "Nature’s Concord" erhalten die Blechbläser Verstärkung durch Alphörner. Die Kernbesetzung des Festspielorchesters, das ebenfalls von Claudio Abbado gegründete Mahler Chamber Orchestra, präsentiert sich mit zwei Sinfoniekonzerten unter der Leitung ihres Chefdirigenten Daniel Harding sowie unter George Benjamin. Gemeinsam mit Thomas Hengelbrock werden sie die romantische Oper "Der Freischütz" von Carl Maria von Weber konzertant aufführen.

Wiederum in Luzern zu Gast als Residenzorchester bzw. für mehrere Konzerte sind die Wiener (mit Zubin Mehta und Nikolaus Harnoncourt) und die Berliner Philharmoniker (mit Sir Simon Rattle), das Koninklijk Concertgebouworkest (mit Mariss Jansons), das Chicago (mit Bernard Haitink) und das Pittsburgh Symphony Orchestra (Manfred Honeck), das Philharmonia Orchestra London (mit Esa-Pekka Salonen) sowie das altehrwürdige Gewandhausorchester Leipzig (mit Riccardo Chailly). Erstmals tritt das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia aus Rom mit seinem Chefdirigenten Antonio Pappano auf. Auch beim Festival debütieren wird der junge, lettische Dirigent Andris Nelsons mit seinem City of Birmingham Symphony Orchestra. Mit ebensolcher Freude werden die Solisten Thomas Quasthoff, Lars Vogt, Martha Argerich, Lang Lang, Vesselina Kasarova, Matthias Goerne, Viktoria Mullova, Lisa Batiashvili, Christine Schäfer sowie Yo-Yo Ma und sein Silk Road Ensemble erwartet.

Die Moderne fristet bei Lucerne Festival kein Nischendasein, sie ist integraler Bestandteil der Konzerte in den verschiedenen Genres. Die Lucerne Festival Academy sowie die Moderne- Konzertreihe widmen sich exklusiv der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Im Sommer 2009 finden elf Uraufführungen statt, davon hat neun Auftragswerke das Festival initiiert.

Die Lucerne Festival Academy unter der Leitung von Pierre Boulez stellt in diesem Sommer Werke mit Live-Elektronik – der zweiten Natur der Klänge – in den Mittelpunkt: voran die epochalen "Répons", sowie "Dialogue de l’ombre double" und "Anthèmes 2" von Boulez, aber auch Stücke des "composer-in-residence" Kaija Saariaho. Ausserdem erklingen Werke von Jörg Widmann, Klassiker der Moderne und Meister unserer Tage. Mitglieder des Ensemble Intercontemporain und Dozenten vom Pariser IRCAM werden die rund 130 Musikerinnen und Musiker aus aller Welt unterrichten. Bei allen Veranstaltungen des Academy Forum hat das Publikum die Möglichkeit, bei freiem Eintritt die Studenten mit ihren Lehrern bei der Arbeit zu beobachten.

Bei insgesamt neun "Debut" Konzerten sind junge Solisten zu erleben und zu entdecken. Wiederum laden die "Children’s Corner"-Programme die Jüngsten zum Zuhören und Mitmachen ein. Das beliebte Strassenmusikfestival wird Ende August acht Musikgruppen präsentieren. Aus aller Welt reisen die Musiker an, um auf den schönsten Plätzen Luzerns aufzuspielen.

Georg Büchners Drama "Woyzeck" liegt beiden Musiktheaterproduktionen zugrunde, die Lucerne Festival in Kooperation mit dem Luzerner Theater aufführt. Manfred Gurlitts "Wozzeck" entstand 1923/24; die Adaption "Woyzeck" als Singspiel von Tom Waits, Kathleen Brennan und Robert Wilson wurde im Jahr 2000 uraufgeführt.

Die diesjährige Filmreihe in Zusammenarbeit mit dem stattkino beinhaltet einen Ingmar-Bergman-Zyklus in Referenz an Kaija Saariaho, die ihr neues Werk "Laterna Magica" dem schwedischen Regisseur widmet. Das Kunstmuseum Luzern zeigt Kaija Saariahos & Jean-Baptiste Barrières "Nox Borealis". Eine musikalische und visuelle Installation.


Lucerne Festival im Sommer
12. August bis 19. September 2009