Lorenzo Mattotti. Imago

Die bildstarken, an der Malerei orientierten Geschichten des Zeichners, Illustrators und Malers Lorenzo Mattotti haben dem Comic neue Wege aufgezeigt. Das Cartoonmuseum Basel würdigt den international renommierten Comicpionier mit der Ausstellung «Lorenzo Mattotti. Imago», seiner ersten Retrospektive in der Schweiz. Im Christoph Merian Verlag erscheint zeitgleich eine begleitende Publikation mit mehrheitlich unveröffentlichten Zeichnungen, die sich Mattottis spontaner «Ligne fragile» widmet, dem künstlerischen Gegenpol zu seiner Malerei.

Der 1954 in Brescia geborene, heute in Paris lebende Künstler Lorenzo Mattotti gehört zu den wichtigsten Comiczeichnern weltweit. Schon während seines Architekturstudiums in Venedig zeichnete er Comics, danach widmete er sich ausschliesslich dem Zeichnen, Malen und Illustrieren. Bereits Ende der 1970er-Jahre, als Mitbegründer des Kollektivs Valvoline, vertrat Mattotti ein weit gefasstes Verständnis von Kunst, Architektur, Film und Design. Nach zumeist in schwarz-weiss gehaltenen Arbeiten fand er zu den fast wortlosen Comics mit dynamischen, farbstarken und expressiv aufgeladenen Bildern, die ihn berühmt gemacht haben.

Sein 1986 veröffentlichter, sinnlicher Comicroman «Feuer» mit surrealistischen, traumtänzerischen Inhalten in ungewohnt kreidiger Technik ist ein Meilenstein der Comicgeschichte. «Feuer» war ein ästhetischer Schock. In dieser Geschichte um eine geheimnisvolle Insel, die Lieutnant Absinth auskundschaften soll, verknüpft Lorenzo Mattotti Avantgarde und Abenteuer, Comic und Malerei, Figuration und Abstraktion und verschmilzt Realität, Magie und Mythologie zu Metaphern, die innere Zustände und Prozesse sichtbar machen.

Nach seinen grossen Erfolgen mit opulenten Farben probierte Lorenzo Mattotti 1992 wieder etwas Neues: «L’homme à la fenêtre», die hochgradig persönliche Geschichte einer Trennung, die er mit seiner Exfrau Lilia Ambrosi geschrieben hat, erzählt er in leichten, aber ausdrucksstarken, schwarzweissen Federzeichnungen. Ein weitere Facette in Mattottis Werk sind seine intimen und brüchigen Zeichnungen, die auch eine Art Handschrift für seine Gefühls- und Gedankenwelt darstellen. Nicht von ungefähr nennt Mattotti den Stil dieser Federzeichnungen «Ligne fragile», zerbrechliche Linie. Diese Zeichnungen sind persönlich wie Tagebücher, geheime Inspiration und als Rohmaterial eine Art Steinbruch für seine anderen Werke.

In «Hänsel und Gretel» verknüpft Mattotti auf berückende Weise viele Elemente dessen, was sich seit 40 Jahren durch sein Schaffen zieht: das Erzählen in Bildern und der grosszügige Gestus des Malers, Kontrolle und Improvisation, Figuration und Abstraktion, Schatten und Licht, und natürlich Emotionen wie die Einsamkeit, die Verlorenheit, die Suche, die Angst, den Ausschluss aus der Gemeinschaft.

Dank seiner prächtigen Modezeichnungen für die Zeitschrift «Vanity» wurde Mattotti innert kurzer Zeit zum begehrten Illustrator. Die unverwechselbaren, mit Ölkreide und Buntstiften in leuchtstarken Pastellfarben gezeichneten Illustrationen erscheinen seither in angesehenen Zeitschriften und Zeitungen rund um die Welt, unter anderen in «The New Yorker», «Le Monde», «Télérama», «Libération», «Cosmopolitan», «Süddeutsche Zeitung», «Vogue». Seine Illustrationen für Auftragsarbeiten sind so stark und eigenständig, dass sie lange nachwirken und auch ausserhalb ihres Entstehungskontextes für sich stehen können.

Mattotti gestaltete zudem Plakate für Filmfestivals wie Cannes und andere kulturelle Anlässe, aber auch für Werbekampagnen von Firmen wie McDonald’s. Er bebilderte Bücher von Dante, Stevenson, Collodi und Freud und illustrierte Lou Reeds musikalische Auseinandersetzung mit Edgar Allan Poes «The Raven».

Die Ausstellung im Cartoonmuseum Basel entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler und präsentiert alle wichtigen Stationen seines breiten Schaffens − von den Anfängen in den 1980er-Jahren bis heute. Im Christoph Merian Verlag erscheint eine begleitende Publikation zur «Ligne fragile».


Lorenzo Mattotti. Imago
11. November 2017 bis 11. März 2018