Life, Without Buildings

Die Ausstellung knüpft an das gleichnamige Seminar an, das 2021 an der ETH stattfand und Möglichkeiten des Lebens jenseits der architektonischen und infrastrukturellen Begrenztheit der gebauten Umwelt erforschte. Der Titel der Ausstellung (sowie der des Seminars) wurde durch den Namen der Glasgower Band "Life Without Buildings" (aktiv zwischen 1999 und 2002) inspiriert. Die Ausstellung versucht darüber hinaus, die Forderung von Superstudio nach einem "Leben ohne Objekte" zu repolitisieren – eine Anarchitektur der Unbegrenztheit, ein vom Design befreites Leben.

"Life, Without Buildings" betrachtet Architektur durch die Linse zeitgenössischer Bedingungen, die Themen wie Arbeit, Vertreibung und Heimatlosigkeit beinhalten, die in der architektonischen Praxis sowie in der Geschichte und Theorie der Architektur nur allzu oft ausgeklammert werden und ein grösseres Muster des entpolitisierten Lebens im neoliberalen Zeitalter widerspiegeln. Und doch bestimmt dieser allgemeine Zustand des "Unheimlichen", diese plötzliche Erkenntnis, dass das Leben grundsätzlich aus den Fugen geraten, ohne feste Parameter und in Gefahr ist, unsere Gegenwart, die unwiederbringlich durch den russischen Einmarsch in der Ukraine geprägt ist, ein Krieg, der uns alle betrifft. Ein Krieg, der der titelgebenden Frage des Pamphlets von Josep Lluis Sert aus dem Jahr 1942 über die Entwicklung der modernen Stadt eine neue Bedeutung verleiht: "Can our cities survive?"

Einige der beteiligten Künstler:innen haben eine Ausbildung als Architekt:innen, andere nicht. Sie sind Künstlerinnen und Schriftsteller, Designer und Fotografinnen, die die Grenzen ihrer jeweiligen Berufe hinterfragen und ihr Metier auf die Probe stellen. Bas Jan Aders Performances wurden oft als Stürze inszeniert – Instanzen, in denen sich die Schwerkraft gegen die gebaute Umwelt manifestiert, wie in "Fall 1" (1970), bei dem der Künstler vom Dach seines Hauses in Los Angeles, dem Inbegriff der amerikanischen Suburbia, fiel. "Domesticated Mountain" (2012) von Andreas Angelidakis ist eine höhlenartige Behausung aus Kartonverpackungen, die von verschiedenen Unternehmen für den Versand von Konsumgütern über die globale Suburbia des Internets verwendet werden. Aristide Antonas spekuliert in seinem "Archipelago of Protocols" über die Eröffnung einer neuen Welt sozialer Beziehungen, indem er überholte Formen und gescheiterte Funktionen einer städtischen Umgebung radikal überdenkt. In seiner in der Ausstellung präsentierten Arbeit erscheint das zeitgenössische Athen als ein potenzielles "Theater und Zirkus der Ruinen". Das im Geiste Brechts geschriebene Buch von John Berger "A Seventh Man" (1975), brachte die systematische Ausbeutung von Gastarbeiter:innen aus dem Süden in Westeuropa, einschliesslich der Schweiz, ans Licht. Seine Kritik an der ökonomischen Ordnung, die hinter den grossen Infrastrukturprojekten stand, findet ihren Widerhall in zeitgenössischen Bewegungen, die sich gegen die Unterdrückung von Arbeiter:innen auf der ganzen Welt wehren, darunter die Gulf Labor Artists Coalition mit ihrem Motto "Who's Building the Guggenheim Abu Dhabi?" Die Zeichnungen von Miriam Cahn, die 1979 für ein massstabsgetreues Modell des Parthenon (Athen, 5. Jh. v. Chr.) in Basel angefertigt wurden, sind ein Beispiel für eine Auftragsarbeit – Studien und Darstellungen der Metopen des Frieses in Bleistift – und keine Kunstwerke, die in erster Linie 'kreativ' gemeint sind. Peter Friedls Modelle "German Village" (2014-2015) und "Tripoli" (2015) aus seiner Serie "Rehousing" (begonnen 2012) beziehen sich sowohl auf realisierte als auch auf nicht realisierte Architekturen und deren Geschichte und loten die Grenzen eines ansonsten funktionalen oder didaktischen Genres aus. Der Titel der Serie erinnert an das Homelessness Prevention and Rapid Re-Housing Program, das 2009 vom U.S. Department of Housing and Urban Development eingeführt wurde. David Harding arbeitete von 1968 bis 1978 als "Town Artist" von Glenrothes, Schottland, um dann sein Engagement für Kunst im urbanen Kontext als Leiter der Abteilung für "Environmental Art" fortzusetzen, die 1985 auf seine Initiative hin an der Glasgow School of Art gegründet wurde. Dort unterrichtete Harding auch mehrere der Bandmitglieder von "Life Without Buildings" (zu denen der Schriftsteller und Kurator Will Bradley am Schlagzeug, der Künstler Chris Evans am Bass, der Grafikdesigner Robert Johnston an der Gitarre und die Künstlerin Sue Tompkins als Sängerin gehörten). Edi Hilas Gemälde aus der Ausstellung "Al di là del vetro" (2022) zeigen architektonische Modelle von Ausstellungsräumen, die sich über die Grenzen der häuslichen Innenräume, in denen sie präsentiert werden, auszudehnen scheinen. Doruntina Kastrati präsentiert eine Gruppe ihrer jüngsten Giessharz-Skulpturen von Körperteilen und Oberflächen, "Public Heroes and Secrets", sowie ein Video mit Interviews mit Arbeitern, die auf Baustellen im Kosovo zu Mindestlöhnen und ohne gesetzlichen Schutz Unfälle erlitten. Ibrahim Mahamas Beitrag umfasst Fotografien des "Parliament of Ghosts", ein laufendes Projekt des Künstlers, die in Redclay in Tamale, Ghana, aufgenommen wurden. Dabei handelt es sich um eine Institution, die Mahama mit lokalen Kollaborateur:innen gegründet und gebaut hat und die 2020 eingeweiht wurde. Zu sehen sind ausserdem Archivaufnahmen von der Mitte bis zum Ende des 20. Jahrhunderts von selbstermächtigten Arbeiter:innen, die in Industriebetrieben und Eisenbahneinrichtungen in Ghana tätig sind. Anna Molskas Video "W=F*s" (Work) (2008) zeigt eine Gruppe von Arbeitern, die mit dem Bau einer Metallkonstruktion in einer unscheinbaren schlammigen Landschaft beauftragt sind. Nach der Fertigstellung der Konstruktion klettern die Bauarbeiter an ihr hinauf, um lässig für die Kamera zu posieren – ein kleiner draufgängerischer Akt, der nichtsdestotrotz von Verletzlichkeit geprägt ist. Ahlam Shiblis Fotoserie "Market" (2005) ist ein Porträt von migrantischen Strassenverkäufern auf ihrem improvisierten Markt in Turin, der durch menschliche Interaktionen zusammengehalten wird. Sein Fluss scheint demjenigen der mächtigen Strukturen, die sich aus den bestehenden Strassen, Trottoirs und Gebäudemauern zusammensetzen, und die den "nicht-anerkannten" Stadtbewohner:innen so wenig Komfort bieten, entgegenzulaufen. Das Kollektiv Tercerunquinto stellt eine Gruppe von Werken aus der Serie "Casa pintada igual que la del vecino (Ejercicio pictórico) – A House Painted Like the One of the Neighbour (Picture Exercise)" (2013) vor. Die Gemälde sind bescheidene Beispiele für urbane Mimikry oder den populären Opportunismus, der zu einer taktischen Eliminierung von Originalität zugunsten des Gewöhnlichen führt. Diese werden mit einer performativen Intervention in der Galerie zusammengeführt, bei der nur der Teil einer Wand bemalt ist, der in Reichweite eines Malers liegt, der in einer eingeschränkten Position arbeitet. In den Studien von Yannis Tsarouchis (1905-1989) füllen Wände die Bildfläche, wie in "Stone Wall of Epidauros" (1965). Mehrere seiner Werke, darunter eine erste Studie (1968) für ein Gemälde eines mit Schmetterlingsflügeln versehenen "Geistes der Langeweile", der in verschiedenen Varianten über den ebenso ikonischen Häfen von Piräus und Thessaloniki schwebt, werden auf mit Baumwolle bespannten Holzrahmenwänden präsentiert, die selbst ein Fragment einer Ausstellungsstruktur sind, die von Andreas Angelidakis für Tsarouchis' Überblicksausstellung bei Wrightwood 659 in Chicago im Jahr 2021 entworfen, dann aber nicht realisiert wurde. Die Arbeiten von Allyson Vieira – darunter eine Reihe von Fotografien, die im Rahmen ihres Buchprojekts "On the Rock" (2019) entstanden sind, das Interviews mit den Marmorarbeitern umfasst, die an der laufenden Restaurierung der Akropolis in Athen beteiligt sind – konfrontieren kulturelle und architektonische Inhalte mit ihren materiellen und menschlichen Unstimmigkeiten. Nicht zuletzt umfasst die Ausstellung auch die Projektvorschläge von Vasco Medici, Elisa Pezza und Armand Zanota, alles ehemalige Studierende des Seminars "Life Without Buildings", die in der an die Galerie angrenzenden Alumni Lounge präsentiert werden.

Life, Without Buildings
16. März bis 20. Mai 2022