Leni Riefenstahl im Fotoforum West

Leni Riefenstahl – eine schillernde Persönlichkeit vor einem dunklen Hintergrund. Sie war eine geniale Künstlerin, aber auch eine hemmungslose Karrieristin, der es ausschließlich um ihre künstlerischen Obsessionen, um Ruhm und Anerkennung und die Konstruktion und Kontrolle des Riefenstahl-Mythos ging. Vierzig Jahre nach ihrer ersten Expedition zu den Nuba im Sudan und 70 Jahre nach "Triumph des Willens", wird sich erstmals eine nicht von Leni Riefenstahl autorisierte und kontrollierte umfassende Werkschau mit Leben und Werk der großen Filmemacherin und Photographin auseinandersetzen.

Die Mannheimer Kuratoren Ina Brockmann und Peter Reichelt haben diese Ausstellung zusammengestellt. Darunter befinden sich Leihgaben staatlicher und privater Institutionen sowie aus privaten Sammlungen. Brockmann und Reichelt waren bereits für die von Leni Riefenstahl autorisierten Ausstellungen in Kuopio (Finnland, 1996), Mailand (Italien, 1996) und Rom (Italien, 1997) verantwortlich. Die Ausstellung ist unabhängig von und ohne Leihgaben der Leni Riefenstahl-Produktion zustande gekommen. Erstmals wird die Künstlerin Leni Riefenstahl in einen historischen Kontext gestellt.

Die Ästhetik Riefenstahlscher Bilder fasziniert noch immer. Ihre Bewunderung für Kraft und Schönheit des menschlichen Körpers ist heute nicht mehr als faschistisch, sondern längst als Allgemeingut einer weltweiten Werbeästhetik zu verstehen. Insofern greift es zu kurz, dem Phänomen Riefenstahl politisch begegnen zu wollen. Unpolitisch, wie Leni Riefenstahl ihre Arbeiten gern bezeichnet hat, sind diese Bilder allerdings ebenso wenig.

Die Ausstellung ist sich der Multidimensionalität ihres Objektes sowie der zeitgeistabhängigen Wahrnehmung und Beurteilung der künstlerischen Leistung Leni Riefenstahls sehr bewußt. Vor dem Hintergrund eines historisch-kritischen Ansatzes kann es daher ebenso wenig um eine Freisprechung Leni Riefenstahls und ihre Aufwertung zur wert- und zeitenthobenen Kunstikone wie um ihre pauschale Verurteilung als unverbesserliche Nationalsozialistin gehen. Vielmehr wird der Blick auf die außergewöhnlichen ästhetischen Provokationen gelenkt, die von Riefenstahls Werk bis heute ausgehen. Ihre Arbeiten werden in einen historischen Kontext gestellt und dabei in abweichenden und ergänzenden Positionen gespiegelt, insbesondere an den Stellen, an denen sich das Riefenstahlsche Selbstbildnis in Unschärfe auflöst.

Wenn Größe eines Künstlers und seines Werkes an seiner historischen Wirkung gemessen wird, dann ist Leni Riefenstahl mit ihren drei Hauptwerken, den Reichsparteitagsfilmen, den Olympiafilmen und den Nuba-Photographien, eine "große" Künstlerin. Ihr Werk zeigt in Zitaten in modernen Filmproduktionen, in der Werbeästhetik sowie in der Ästhetisierung und Sexualisierung des Sports bis heute seine Wirkung.

Leni Riefenstahls Wirkung hat aber noch eine weitere, einmalige Ebene: ihren zweifelhaften Umgang mit dem Nationalsozialismus, die sich daraus ableitende fortwährende Konstruktion des eigenen Lebens als Mythos, wodurch sie zur symbolischen Figur der deutschen Vergangenheitsverdrängung wurde. Die Rezeptionsgeschichte ihres Werkes und ihrer Person ist eine von Verehrung, Verachtung und Vergessenwollen. Eine Haltung, welche die Mehrheit der Deutschen im Nachkriegsdeutschland charakterisierte. Bis 1945 wurde Riefenstahl wegen ihrer unmittelbaren Nähe zur Macht verehrt, nach 1945 wurde sie genau deswegen verachtet. Seit Ende der 1990er Jahre wächst die Bereitschaft zur Versöhnung. Doch Leni Riefenstahl dient immer noch als Projektionsfläche für das kollektives Gedächtnis und den Umgang mit der eigenen, verdrängten Vergangenheit.

In diesem Geflecht von Konstruktion und Projektion hat sich der von ihr konsequent aufgebaute Riefenstahl-Mythos durchgesetzt und genießt die gleiche Aufmerksamkeit wie ihre Werke. Allzuoft unterblieben Einspruch und Korrektur, so daß Unwahrheiten als Wahrheiten Akzeptanz fanden und das Schweigen über Fehlbarkeiten deren Nichtexistenz suggerierte.

Dennoch darf die Rezeption der Reichsparteitags- und Olympiafilme, deren ästhetische Qualitäten unstreitig sind, nicht ohne eine moralische Wertung auskommen. Zu eindeutig hat Riefenstahl sich und ihre Werke zwischen 1933 und 1945 hingebungsvoll in den Dienst der nationalsozialistischen Propaganda gestellt, dem NS-System gedient, von ihm in großem Ausmaß profitiert und ihre Rolle als "Reichsfilmregisseurin" genossen. Für die Rezeption ihrer Arbeiten vor 1933 kann diese Position nicht gelten; bei den Werken, die nach 1945 entstanden, birgt jedoch jedes ästhetische Urteil auch eine moralische Dimension, ob sie nun der Kunst gerecht wird, oder nicht.

Leni Riefenstahl selbst ist dem Faschismusvorwurf begegnet, indem sie sich mit selbst geschaffenen Mythen und Legenden eine eigene Wirklichkeit konstruierte und lebte. Dies und das allgemeine Wissen um ihre persönliche Nähe zu Hitler, mit allen daraus resultierenden Vorteilen, machen, neben ihren künstlerischen Qualitäten, einen Teil der Faszination aus, die Leni Riefenstahl und ihr Werk bis zum heutigen Tag ausstrahlt.

Dieser Faszination nähert sich die Ausstellung, indem sie den personellen und historisch belegten Hintergründen der einzelnen Werkgruppen nachzuspüren versucht, ohne dabei die ästhetische und künstlerische Bedeutung der Arbeiten Riefenstahls herabzuwürdigen.


Leni Riefenstahl
18. April bis 31. Mai 2008
Eröffnung: Do 17. April 08, 18.30 Uhr