Lebenszeichen

Unter dem Titel "Lebenszeichen. Heinrich Kirchner – Plastiken" widmet die Städtische Galerie dem in Erlangen geborenen Künstler Heinrich Kirchner eine große retrospektive Ausstellung. Die Präsentation zeichnet anhand ausgewählter Exponate aus allen Schaffensperioden erstmals die künstlerische Entwicklung des Künstlers im Kontext der Weimarer Republik und des Faschismus sowie Nachkriegsdeutschlands nach. Es ist die erste umfassende Präsentation des Werks Kirchners, die sein Schaffen in historischer und kunsthistorischer Hinsicht durchleuchtet.

Heinrich Kirchner zählt zu den Künstlern der "verlorenen Generation". 1936 von den Nationalsozialisten mit der Gestaltung des Reichsadlers für den Deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig beauftragt und ein Jahr später mit einem weiteren Reichsadler für den Frankfurter Flughafen, wäre es für den Künstler ein Leichtes gewesen, sich als Staatskünstler im Dritten Reich zu etablieren. Doch Kirchner wollte nicht. Zu wichtig war ihm die Freiheit der Kunst, zu bedeutend die von ihm geschätzten und im Dritten Reich als "entartet" gebrandmarkten Künstlerkollegen Gerhard Marcks und Wilhelm Lehmbruck. Bereits 1937 erteilte ihm die Reichskammer der bildenden Künste wegen seiner schleppenden Auftragserfüllung einen Denkzettel: Sie beschlagnahmte die damals im Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen befindliche Skulptur "Die kleine Paula". Kirchner fühlte sich und sein Werk bedroht und zog sich aus dem offiziellen Kunstbetrieb zurück.

In der Nachkriegszeit erfuhr Kirchner zunächst große Anerkennung. Er wurde 1958 erneut auf der Biennale Venedig und 1959 auf der documenta II in Kassel ausgestellt. Doch danach schenkte die kunstinteressierte Öffentlichkeit vor allem den abstrakten Stilrichtungen Beachtung, die aus den USA nach Europa gelangten. Hier wollte sich Heinrich Kirchner nicht anschließen. Er konzentrierte sich auf die Fortsetzung seines eigenen Weges und blieb – wie viele seiner Weggefährten – der Gegenständlichkeit treu. Dabei entwickelte er eine eindringliche wie eigenwillige Formensprache. Das sprühende Spätwerk des Künstlers gipfelt in der Skulptur des "Wanderers", dem letzten Werk Heinrich Kirchners, welches im Rahmen der Ausstellung für den Erlanger "Heinrich Kirchner Skulpturengarten" erworben werden soll.

Heinrich Kirchner (1902-1984) studierte 1924-32 Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München. Im Anschluss erhielt er dort eine Anstellung als Bronzegießer, führte das traditionelle Verfahren des Bronzegusses im Wachsschmelzverfahren ein, die Technik, die ihn sein Leben lang begleitete und die er als Professor an der Akademie 1952-70 seinen Studenten weitergab. Nicht nur als Teilnehmer international bedeutsamer Ausstellungen – Biennale Venedig (1936 und 1958) und documenta II (1959) in Kassel – stießen seine Arbeiten auf öffentliches Interesse, seine Heimatstadt Erlangen widmete ihnen einen eigenen Skulpturengarten, der 1982 eröffnet wurde.


Lebenszeichen. Heinrich Kirchner – Plastiken
20. Juni bis 2. August 2009