Landschaft: Transformation einer Idee

Zur kulturellen "Eroberung" der Landschaft wurden im 19. Jahrhundert Reisen unternommen, aber auch die Interpretation mittels Malerei zählte zu den wesentlichen Aneignungsmustern. Die Medien Fotografie, Film und Computer führte im 20. Jahrhundert zu einer neuen Wahrnehmung der Realität: Die Landkarte stellt das Land nicht dar, vielmehr konstruiert sie es. Die Neue Galerie Graz zeichnet diese Entwicklung als Beitrag zum Themenschwerpunkt "Landschaft" des Universalmuseums Joanneum nach – mit Werken aus der eigenen Sammlung, u. a. von Thomas Ender, Friedrich Gauermann, Michael Schuster und Herbert Brandl.

Mit dem Begriff Landschaft ist nicht nur die Darstellung der Natur gemeint, sondern auch die verwandelnde Überformung von Natur durch Affekte unserer Vorstellung bzw. Wahrnehmung. Die Landschaft als externes Zuhause des Menschen wird von ihm als selbstverständlich erlebt und scheint erst im Zustand der Katastrophe massiver in sein Bewusstsein zu treten. Landschaft ist ein realer, aber auch hochgradig emotionaler Ort und darüber hinaus seit jeher Gegenstand unterschiedlichster wissenschaftlicher Forschungen.

Neue Technologien wie beispielsweise die Satellitenvermessung (GPS) verändern sowohl die Bilder von der Landschaft als auch deren Funktionsrahmen – das Bild der Landschaft ergibt sich aus einem vielfältigen Netzwerk des Wissens. Auch zu Beginn der Landschaftsmalerei im 17. Jahrhundert waren Mathematiker, Festungsbauer, Ballistiker, Geografen und Instrumentenbauer daran beteiligt, unterschiedliche Bilder der Landschaft zu erzeugen. Erkenntnis und Nutzen waren damals bereits eng miteinander verknüpft. Die Idee der Landschaft begann von da an komplexer zu werden und sich zu transformieren.

Landschaft bezeichnet somit die sinnbildliche Einheit von Natur und kulturellen Aneignungsmustern. Dazu gehört sowohl die Eroberung der Landschaft im 19. Jahrhundert durch Reisetätigkeit als auch eine emotionale bzw. sentimentale Interpretation innerhalb des Mediums Malerei. Die technischen Medien wie Fotografie, Film, Video und Computer haben oft den Aspekt des Dokumentarischen bzw. des Wissenschaftlichen unterstützt und hauptsächlich zu einem Realitätswandel beigetragen. "Natur" und "Landschaft" sind folglich Konstruktionen von Wirklichkeit – die Landkarte stellt das Land nicht dar, sie konstruiert es vielmehr. Begriffe wie "Simulakrum" und "Hyperrealität" sind eng mit der Wahrnehmung von Natur und dem Bild von der Landschaft verbunden.

Die Kunst erweist sich im Zeitraum, den diese Ausstellung – von 1800 bis heute – erfasst, als analytische Struktur der konstruierten Wirklichkeit. Anhand von Beispielen aus der Sammlung der Neuen Galerie Graz kann ein multimedialer Bogen über zwei Jahrhunderte gespannt werden. In dieser Form werden die komplexen Faktoren und Transformationsprozesse darstellt, die im Zusammenhang mit dem Bild der Landschaft bzw. der Wahrnehmung von Natur wirksam sind. Dazu werden in der Dauerausstellung wesentliche Positionen wie etwa Johann Nepomuk Schödlberger, Thomas Ender, Franz Steinfeld, Friedrich Gauermann umfangreicher und kontextbezogener präsentiert. Im 1. Stock werden Werke zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler aus der Sammlung gezeigt, die dem Thema Landschaft auf höchst unterschiedliche Art und Weise begegnen – u. a. Manfred Willmann, Michael Schuster und Herbert Brandl.


Landschaft: Transformation einer Idee
Kunst von 1800 bis heute aus der
Sammlung der Neuen Galerie Graz
19. Juni 2015 bis 17. Januar 2016