Kyung-Lim Lee. Echo of Geometry

Kreise, Ellipsen und manchmal auch eckige Formen schweben über die Bildfläche in den Zeichnungen der koreanisch-amerikanischen Künstlerin Kyung-Lim Lee (*1957, Seoul, Korea, lebt in Oxford, US). Oft beleuchtet von einer unbestimmten Lichtquelle, erscheinen sie als Körper, Hüllen oder Schatten. Die Kompositionen als Ganzes erinnern zuweilen an astronomische Phänomene, manchmal auch an Landschaften und scheinen doch auf etwas anderes, Allgemeingültiges zu verweisen. Bar jeder Gegenständlichkeit wirken sie in einem steten Fluss von Werden und Vergehen begriffen.

Schon diese erste Beschreibung der Werke von Kyung-Lim Lee macht deutlich, dass die geometrische Abstraktion, die alle Arbeiten der Künstlerin durchdringt, hier gepaart ist mit sinnlicher, ja mystischer Strahlkraft. Treffend formuliert so der Titel "Echo of Geometry", den sie für ihre europaweit erste Einzelausstellung und Erstpräsentation bei Häusler Contemporary München gewählt hat, ein wichtiges Merkmal ihrer Kunst: Geometrie klingt an, verhallt aber vor den imaginären und "emotionalen" Bildern, welche für den Betrachter angesichts der farblich meisterhaft nuancierten Papierarbeiten entstehen. Dies gilt auch für die neuen Zeichnungen, die in der Ausstellung präsentiert werden.

Tatsächlich haben Kyung-Lims Werke ihren Ursprung in gedanklichen Meditationen über nur zehn ausgewählte chinesische Schriftzeichen. Auch nachdem die Künstlerin im jungen Alter von fünfzehn Jahren mit ihrer Familie in die USA emigriert war, blieb ihre Verbundenheit zur koreanischen Kultur und ihre Faszination für deren Sprache bestehen. Ein besonderes Interesse gilt dabei der Entwicklung von Schriftzeichen im Laufe der Zeit und auch dem Vergleich von chinesischen Piktogrammen mit deren Koreanischen Übersetzungen, die mehrere und zum Teil in sich widersprüchliche Bedeutungen beinhalten. Um dieser Faszination künstlerischen Ausdruck zu verleihen, hat Kyung-Lim Lee nach anfänglichen Versuchen mit Bildhauerei rasch die Zeichnung als ihr Medium entdeckt.

Ausgehend von der Auseinandersetzung mit Schriftbildern von Worten und deren Bedeutung hat die Künstlerin so in vielstufigen Denkprozessen ihre ganz eigene "Zeichensprache" entwickelt. Diese ist geprägt durch die Klarheit der Form, die von ätherisch leicht anmutenden Farbverläufen und von weichen Konturen gebildet ist. Die präzise und sorgfältige Hand von Kyung-Lim Lee ist in unzähligen Markierungen von Bleistift, Kohle, manchmal Acryl und – in der Ausstellung vorrangig – in Pastellkreide sichtbar. Die so entstehenden Bildschöpfungen visualisieren die Geometrie als etwas Ursprüngliches und Lebendiges, Transzendentales. Mit diesem Verständnis der geometrischen Abstraktion steht Kyung-Lim Lee den grossen Namen der klassischen Moderne wie etwa Kasimir Malevich, Piet Mondrian, Wassily Kandinsky, oder Robert Delaunay nahe. Deborah Keller


Kyung-Lim Lee. Echo of Geometry
4. November 2015 bis 15. Januar 2016