Kunstwerk der Zukunft

Neun Jahre verbrachte Richard Wagner als politischer Flüchtling in Zürich. Sie gehörten zur produktivsten Zeit seines Lebens. Er schrieb den Aufsatz über das Kunstwerk der Zukunft und leitete mit der Komposition von Tristan und Isolde die musikalische Moderne ein. In der Limmatstadt fanden im Mai 1853 die ersten Wagner-Festspiele überhaupt statt.

Richard Wagners Aufenthalt in Zürich und seine hier entstandenen Werke sind das Thema einer im Rahmen der Zürcher Festspiele am 24. Juni 08 eröffneten Sonderausstellung im Museum Bärengasse. Selten gezeigte Werkhandschriften, noch nie ausgestellte Alltagsgegenstände aus Wagners persönlichem Umfeld, Bilder und Dokumente im Original sowie Klanginstallationen vergegenwärtigen die wegweisenden Zürcher Jahre des extravaganten Künstlers.

Im Frühjahr 1849 beteiligte sich Wagner aktiv am Dresdner Maiaufstand. Er wurde, nach Niederschlagung der Volksunruhen, wie auch seine Freunde Gottfried Semper und August Röckel, von der Polizei steckbrieflich gesucht und sah sich gezwungen zu fliehen. Seine Flucht führte ihn mit falschem Pass zunächst in die Schweiz, und nach einem kurzem Aufenthalt in Paris ins dauerhafte Exil nach Zürich. Dort entstanden in den Folgejahren die Zürcher Kunstschriften, unter anderen "Die Kunst und die Revolution", "Das Kunstwerk der Zukunft" und seine große musiktheoretische Schrift "Oper und Drama".

In einem regen Briefaustausch mit seinen Freunden Franz Liszt, August Röckel und Theodor Uhlig entwickelte und erklärte er seine zukünftigen künstlerischen Ambitionen. Mit seinem neuen Opernentwurf Wieland der Schmied versuchte Wagner in Paris erneut sein Glück, allerdings vergeblich. Er lernte die junge Jessie Laussot kennen, die in unglücklicher Ehe gebunden war und folgte ihr nach Bordeaux, in der Absicht sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen und mit ihr nach Griechenland zu fliehen. Nach einigen Wochen beendete er die Affäre und kehrte zu seiner Frau nach Zürich zurück. Am 28. August 1850 wurde in Abwesenheit Wagners durch Franz Liszt in Weimar Lohengrin uraufgeführt.

Wagner lernte 1852 Otto und Mathilde Wesendonck kennen und begann (nach einer Kur in der Wasserheilanstalt Albisbrunn) mit der Dichtung zum Ring des Nibelungen. Er lernte auch Georg Herwegh kennen, einen Weggenossen von Karl Marx, der ein eifriger Diskussionspartner und Wanderfreund wurde. Wagner unternahm ausgedehnte Bergtouren, unter anderen eine mehrwöchige Fußwanderung nach Italien. In der Einsamkeit der Hochgebirgslandschaften und erhabenen Gletscher sah er die idealen Szenenbilder für seinen Ring. Am 16. Februar 1853 las Wagner erstmals öffentlich seine komplette Ring-Dichtung an vier Abenden im Hotel Baur au Lac in Zürich.

Im Mai 1853 gab Wagner enthusiastisch aufgenommene Konzerte mit Ausschnitten aus eigenen Werken in Zürich. Im Juli besuchte ihn Liszt; bei dieser Gelegenheit kam es zum Bruderschaftstrunk mit Liszt und Georg Herwegh. Wagner reiste im September erneut nach Italien, wo ihm in einem Hotel in La Spezia im Halbschlaf die Ur-Idee zum Beginn des Ring des Nibelungen kam und konzipierte das Rheingold-Vorspiel. Am 10. Oktober war Wagner bei Liszt in Paris und sah zum ersten Mal dessen Tochter Cosima, die zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt war. Er begann mit der Rheingold-Komposition, die er innerhalb von drei Monaten bis Januar 1854 abschloss.

1854 las Richard Wagner auf Empfehlung von Georg Herwegh Schopenhauers Hauptwerk, "Die Welt als Wille und Vorstellung". Im gleichen Jahr begann er mit der Konzeption von Tristan und Isolde. 1855 gab Wagner mehrere Konzerte in London. 1856 richtete er ein Gnadengesuch an den sächsischen König. Zwischenzeitlich lebte er auf dem "Grünen Hügel" neben der Villa Wesendonck in Zürich, arbeitete an Siegfried und später an Tristan und Isolde und vertonte - als musikalische Studien zum Tristan - fünf Gedichten von Mathilde Wesendonck (Wesendonck-Lieder). Die Komposition am Ring des Nibelungen wurde in dieser Zeit unterbrochen. Am 18. August 1857 wurden Hans von Bülow und Cosima in Berlin getraut und unternahmen ihre Hochzeitsreise zu Wagner nach Zürich. 1858 spitzte sich Wagners Affäre mit Mathilde Wesendonck zu: Nachdem Minna die schwärmerische Freundschaft ihres Mannes zur verheirateten Mathilde Wesendonck aufgedeckt und einen Eklat provoziert hatte, trennte sich Wagner von seiner Frau. Er reiste nach Venedig, wo er den zweiten Akt des Tristan komponierte. Seine Frau übersiedelte nach Dresden.


Kunstwerk der Zukunft
Richard Wagner und Zürich (1849 – 1858)
25. Juni bis 16. November 2008