Kunst, Theater und Engineering

New York, Oktober 1966: Neun spektakuläre Abende in der 69th Regiment Armory Hall verbinden Musik, Theater, Tanz, Film und Video und markieren die Geburtsstunde der interaktiven Performance. Erstmals begegneten sich dabei versierte Ingenieure und profilierte Kunstschaffende in einem kreativen Prozess. Dies am selben Ort, an dem 1913 die moderne Malerei einen nachhaltig wirkenden Auftritt im Rahmen der sogenannten "Armory Show" gehabt hatte.

Den Anstoss zu dem schliesslich "9 evenings: theatre and engineering" betitelten Projekt gab eine einfache Idee: Der Ingenieur Billy Klüver von den Bell Telephone Laboratories hatte schon seit einigen Jahren mit Künstlern zusammengearbeitet, um in ihrem Werk auftauchende technische Probleme zu lösen. 1965 kam ihm der Gedanke, Künstler und Techniker schon am Beginn des kreativen Prozesses zusammenzubringen, um zu beobachten, welche Rolle die damals zur Verfügung stehende Technik bei der Entwicklung der Ideen eines Künstlers von den frühesten Phasen an spielen konnte.

Billy Klüver konnte John Cage, Lucinda Childs, Öyvind Fahlström, Alex Hay, Deborah Hay, Steve Paxton, Yvonne Rainer, Robert Rauschenberg, David Tudor und Robert Whitman für dieses interdisziplinäre Experiment begeistern. Die vier Tänzer, zwei Musiker und vier bildenden Künstler gehörten alle Mitte der 1960er-Jahre zur New Yorker Avantgardeszene. Sie alle konnten eine klassische Ausbildung vorweisen. Und sie alle waren schon seit langem daran interessiert, die Definitionen ihres jeweiligen künstlerischen Mediums auszuweiten und dessen historische Grenzen aufzubrechen. Typischerweise traten viele der Beteiligten schliesslich nicht nur als Autoren der an der Veranstaltungsreihe zur Uraufführung gebrachten Werke auf, sondern auch als Musiker, Tänzerin oder Akteur in den Werken der Anderen.

Mit der Teilnahme an Billy Klüvers Experiment mit ungewissem Ausgang stimmten die beteiligten Künstler der Einführung einer anspruchsvollen neuen Variablen in ihre Arbeit zu. Zwar war der Prozess, auf den sie sich einliessen, mit persönlichen Spannungen, technischen Schlamasseln und kurzfristigen Kompromissen befrachtet, doch das Endergebnis war ein Katalysator für weitere Studien. Das Publikum, das einen zumindest rudimentären Zusammenhang mit der traditionellen Bühnenunterhaltung erwartet hatte, zeigte sich teils enttäuscht über den äusserst experimentellen Charakter der Werke, die die Künstler und die Techniker der Bell Labs gemeinsam entwickelt hatten. Schon bald jedoch bekam "9 evenings" bei der Kritik die Aura des Erfolgs.

Über 40 Jahre später liegt die Bedeutung von "9 evenings" nicht nur in den einzigartigen Erfahrungen der Gemeinschaftsarbeit zwischen Künstlern und Technikern, sondern auch in dem Versuch, die aktuelle Technik in einer Weise in die zeitgenössische performative Praxis zu integrieren, die über den einfach nur dekorativen oder effektvollen Einsatz von technischen Spielereien hinausging.

Wenige Wochen vor dem singulären Event "9 evenings" gründeten Billy Klüver, Robert Rauschenberg, David Tudor, Fred Waldhauer und Robert Whitman "Experiments in Art and Technology" (E.A.T.), eine Organisation, die sich der Unterstützung weiterer Gemeinschaftsprojekte zwischen Künstlern und Wissenschaftlern widmete. Wie Klüver und Rauschenberg 1967 schrieben: "E.A.T. gründet auf dem festen Glauben, dass eine von der Industrie geförderte effektive Arbeitsbeziehung zwischen Künstlern und Ingenieuren zu neuen Möglichkeiten führen wird, die der Gesellschaft als ganzer zugute kommen werden."

Die Ausstellung im Museum für Gestaltung führt die zehn Performances durch Fotografien, Film und Tonaufnahmen, Zeichnungen und schriftliche Aufzeichnungen vor Augen. Sie veranschaulicht so die Verbindung von Elektronik und Live-Aufführung vor grossem Publikum und damit auch deren aktuell gebliebene Haltung gegenseitiger Neugier von Kunst und Technik.


9 Evenings 1966: Kunst, Theater und Engineering
30. Juli bis 7. September 2008, Galerie