Kunst im Spiegel der Zeitenwende

Zwischen den letzten Jahrzehnten des 19. und die ersten des 20. Jhds. werden die Weichen für eine neue Gesellschaft und eine neue Kunstentwicklung gestellt. Die tradierten Bildschemata ragen noch in die Zeit der Secessionisten herein, neue revolutionäre Bildauffassungen kündigen sich schon vor der Jahrhundertwende an. Fotografie beginnt eine Rolle zu spielen, sie ist sowohl als Atelier-Studiofotografie, als auch im Bereich der Landschaft und im fiktionalen Genre in ihren Bildfindungen bis in die 1930er Jahre wirksam.

Die Ausstellung "Kunst im Spiegel der Zeitenwende" erarbeitet mit Beispielen aus Sammlungsbesitz und einigen ausgewählten fotografischen Leihgaben dieses Phänomen der Kontinuitäten vor dem gleichzeitigen Szenario der radikalen Umbrüche. Keine Zeit im letzten Jahrhundert war so stark von den Ungleichzeitigkeiten und Simultaneitäten von unterschiedlichen Kunstströmungen geprägt. Neben den großen "Bewahrern" treten radikale Neuerer auf, neben arrivierten Künstlern positionieren sich Revolutionäre. Und erstmals in der Kunstgeschichte entwickelt sich eine bürgerliche "Geschmacksbildung", die von Selbstbewusstsein und wirtschaftlicher Potenz getragen ist und dennoch aktuelle Konzepte zulässt: hier sind vor allem die Zeichnungen von Gustav Klimt zu nennen.

Daneben werden weiterhin traditionell orientierte Künstler wie Rudolf von Alt und Carl Moll geschätzt, die ihre Kunstauffassung noch bis weit in die 1920er Jahre hinein weitergeben. Als ein radikaler Bruch mit Traditionen wird das Expressive etwa eines Schiele oder Gerstl aufgefasst, und der frühe Kokoschka wurde gar als "Oberwildling" beschimpft. Zwischen Tradition und Revolution entstehen künstlerische Interessensgebiete, die sich vom gesicherten Terrain eines prolongierten Symbolismus wegbewegen und die Fragilität der menschlichen Existenz thematisieren: die "andere Seite" wird nicht nur von der Literatur und der Psychoanalyse entdeckt, sondern auch von Künstlern wie Alfred Kubin und Jean Egger.

Mit Beispielen aus den Bereichen von Malerei, Grafik und Fotografie und einzelnen skulpturalen Arbeiten werden Themenkreise wie das Nachwirken des Symbolismus, die Entdeckung des eigenen Selbstbildes, die Selbstinszenierung und Verwandlung nachgezeichnet bis hin zu landschaftlichen Motiven als Zustandsbildern der inneren Befindlichkeit und der Gestik des Expressionismus als Ausdruck einer drängenden Emotionalität. Die Entdeckung des Körpers, der eigenen Physis und der Nacktheit, der Bewegung im freien Raum und die Bestrebungen der Emanzipation gehören ganz wesentlich in dieses Spannungsfeld der künstlerischen Möglichkeiten zwischen den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts und der beginnenden Zwischenkriegszeit.


Begleitend zur Ausstellung erscheint eine reich bebilderte Broschüre.

Kunst im Spiegel der Zeitenwende
Malerei, Grafik, Skulptur und Fotografie um 1900
7. Juni bis 26. Oktober 2008