Kunst als gesellschaftlicher Auftrag

Das Schaffen von Gottfried Honegger hat in der Kollektion gegenstandsloser Kunst des Otten Kunstraum in Hohenems einen wichtigen Stellenwert. Nach der Ausstellung "Russische Avantgarde. Wurzeln der Sammlung Otten" widmet das Privatmuseum seine zweite Ausstellung dem 1917 in Zürich geborenen Gottfried Honegger. Gezeigt werden Werke von den 1950er Jahren bis heute.

Gottfried Honegger ist international einer der wichtigsten Vertreter der Konstruktiv-Konkreten Kunst seiner Generation und steht in der Tradition der nichtgegenständlichen Kunst seit den 1920er Jahren. Sein Schaffen wurzelt in der Russischen Avantgarde ebenso wie in der Abstraktion eines Piet Mondrian. Obwohl er zahlreiche Kontakte zu Künstlern pflegte, schloss er sich keiner Künstlergruppe an, auch nicht den "Zürcher Konkreten" um Max Bill.

Honegger zeigt ein hohes Maß an gesellschaftlichem Engagement und versteht Kunst als gesellschaftlichen Auftrag, so lautet auch der Titel der Ausstellung. Seine Ideale von Gleichheit und Solidarität bringt der Künstler immer wieder zum Ausdruck. Er beschränkt sich nicht auf die konsequente Anwendung geometrischer Gestaltung. Vielmehr sieht er seine künstlerische Tätigkeit untrennbar verbunden mit der Welt, in der sie stattfindet. Deshalb setzt sich Honegger immer wieder mit ethischen Fragen auseinander: Er appelliert an jeden Einzelnen von uns, Verantwortung zu übernehmen, sich einzumischen und die Welt zu gestalten. Dies macht ihn als Künstler unbequem. Kaum ein Kunstschaffender erhitzt mit seinen Kommentaren zum kunstpolitischen Geschehen so sehr die Gemüter des Schweizer Kulturlebens wie Gottfried Honegger.

Kunst soll nicht als private Angelegenheit verstanden werden, sondern als geistiger Ausdruck einer Gemeinschaft, die dazu beiträgt Schönheit und Erkenntnis zu verbreiten. "L’art pour l’art", so der Künstler, "habe ich immer abgelehnt. Für mich ist die Kunst Teil der Aufklärung, ein kulturpolitischer Auftrag. Ich glaube an die Kunst als ethische Kraft. Ja, ich bin überzeugt, dass die Kunst uns geistig weiterbringt. Da es in allen Zeiten Kunst gab, da die Kunst in Museen bewahrt und gezeigt wird, bin ich der Meinung, dass Kunst für uns Menschen eine existentielle Notwendigkeit ist. Die Kunst und das Kunstwerk sind für mich die höchsten geistigen Manifestationen des Menschlichen. Kunst macht das Unsichtbare für uns sichtbar. Wir müssen uns ein Bild machen, um im Bilde zu sein."

Gegenstandsfrei arbeitende Künstler wie Gottfried Honegger schöpfen nicht aus der realen Welt der Dinge. Sie fordern den Betrachter vielmehr in besonderer Weise heraus, sich mit den Kompositionen aus Farbe, geometrischer Formensprache und Material auseinanderzusetzen, der Fantasie freien Lauf zu lassen und den Werken selbst Sinn zu geben. Ganz im Sinne der von Gottfried Honegger postulierten Seh-Freiheit lädt der Otten Kunstraum die Besucherinnen und Besucher ein, sich in der Ausstellungshalle sowie bei einem Rundgang durch die im Freigelände platzierten Skulpturen und Installationen geistig und emotional auf das Abenteuer Kunst einzulassen.


Kunst als gesellschaftlicher Auftrag
4. Oktober 2009 bis 29. Juli 2010