Das Museum Brandhorst in München widmet sich einem Künstlerkreis, der die Kunst der Nachkriegszeit in Musik, Tanz, Malerei, Skulptur und Zeichnung entscheidend geprägt hat.
John Cage (1912-1992), Merce Cunningham (1919-2009), Jasper Johns (*1930), Robert Rauschenberg (1925-2008) und Cy Twombly (1928-2011) schufen durch ihren intimen Austausch eine besondere Verbindung zwischen den künstlerischen Gattungen und Medien. Das Museum Brandhorst rückt damit das Werk Cy Twomblys, das einen zentralen Sammlungsschwerpunkt darstellt, in ein neues Licht und verortet seine Praxis erstmals im künstlerischen Umfeld seiner Anfänge.
Sie haben die Kunst des 20. Jahrhunderts maßgeblich beeinflusst: der Musiker und Theoretiker John Cage (1912-1992), der Choreograf und Tänzer Merce Cunningham (1919-2009) sowie die Maler und Bildhauer Jasper Johns (*1930), Robert Rauschenberg (1925-2008) und Cy Twombly (1928-2011). Doch nicht nur das verbindet die fünf Künstler, sondern auch Freundschaften, die von gemeinsamen Arbeiten, intensiven Debatten, innigen Liebesbeziehungen und schmerzlichen Trennungen geprägt sind. Voraussetzung dafür waren ähnliche Interessen. Alle fünf Künstler erprobten neue Ausdrucksformen und beschäftigten sich mit ähnlichen Themen: mit Stille und Zufall, mit Technik und Fortschritt, mit Tradition und radikaler Innovation.
In den 1940er und 1950er Jahren trafen sich die fünf Freunde in unterschiedlichen Konstellationen und bildeten ein kreatives Netzwerk, in dem Themen, Ideen und Einfälle zirkulierten. Am legendären Black Mountain College entwickelten Cage und Cunningham ihr Konzept von Stille und Zufall im direkten Austausch mit den jüngeren Künstlern Rauschenberg und Twombly, die nach ausgedehnten Reisen durch Italien und Nordafrika ihren "signature style" ausbildeten: Rauschenberg seine "Combines", eine Mischung aus Malerei und Skulptur, in die er auch Zeichnungen und Fotografien integrierte, Twombly seine anspielungsreiche, an Graffiti erinnernde Strichführung. 1954 stieß Jasper Johns hinzu, der mit seinen Flaggen und Zielscheiben ein eigenes Bildkonzept entwickelte. Mit ihrem internationalen Durchbruch in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren wurden die fünf Freunde zu Wegbereitern von Happening, Fluxus, Pop und Minimal Art.
In den Tanzperformances der Merce Cunningham Dance Company (MCDC) fand der kollaborative Geist der Künstler seinen deutlichsten Ausdruck. Der zentrale Raum im Untergeschoss des Museum Brandhorst ist daher als Bühnenraum ganz in Schwarz gehalten. Während Cage musikalischer Leiter der MCDC war, entwarfen Rauschenberg und Johns viele der Kostüme und Bühnenbilder.
Der politische Kontext des Kalten Krieges durchdringt das Werk der Künstler. Rauschenberg pflegte einen geradezu obsessiven Umgang mit amerikanischen (Macht-)Symbolen, zu Johns‘ bekanntesten Werken gehören Aneignungen der amerikanischen Flagge und Zielscheiben, die auf Staatsräson und Militär verweisen, und Twomblys vermeintlich entrückte Antikenbezüge in den Bildern der 1960er Jahre beziehen sich häufig auf konkrete politisch-historische Ereignisse wie die Ermordung John F. Kennedys oder die Kuba-Krise. Insbesondere Twombly und Rauschenberg reagierten in ihrem malerischen Schaffen auf die Entwicklung der Raumfahrt. So entstand Rauschenbergs Projekt "Stoned Moon" (1969-1970) sogar im Auftrag der NASA. Twombly schuf 1968 das Gemälde "Orion III", das auf ein atomar angetriebenes Raketensystem der NASA anspielt.
Der Kalte Krieg zwischen den USA und der UdSSR, der sich seit Ende der 1940er Jahre zuspitzte, wurde auch auf ideologischer Ebene geführt. Der Politiker Joseph McCarthy entfachte eine regelrechte Jagd auf vermeintliche Kommunist:innen und queere Menschen. Vor diesem historischen Hintergrund sind auch die romantischen Beziehungen Rauschenbergs zu Twombly und Johns sowie zu Cage und Cunningham zu sehen. Nur durch versteckte Andeutungen und Codes war eine Kommunikation über queeres Begehren möglich. Auf dieses Spiel von Ver- und Enthüllung beziehen sich die fünf Freunde in ihren Werken immer wieder. So können Jasper Johns‘ Targets auch als Kommentar auf die zur Zielscheibe gewordenen queeren Menschen gelesen werden.
Stille, Leere, Abwesenheit stehen im Mittelpunkt vieler Arbeiten der fünf Freunde. Sie laden dazu ein, unsere Aufmerksamkeit auf Geräusche, Objekte und Bewegungen zu richten, die nicht unmittelbar wahrnehmbar, nicht vorhersehbar und auch nicht kontrollierbar sind: zufällige Ereignisse im Raum, Schritte, ein Räuspern, das Licht der Sonne oder die Muster von Schatten an der Wand, die Struktur einer grundierten Leinwand. Die Kunst der fünf Freunde regt zum Innehalten und zur Achtsamkeit an. Dabei ziehen sie sich keineswegs in einen Elfenbeinturm zurück. Ihr Konzept der Stille ist kein Ort des Rückzugs, sondern der Öffnung. Angesichts aktueller politischer Entwicklungen wie der zunehmenden Popularität autoritärer Regierungsformen und der schier endlosen Bilder- und Nachrichtenflut erscheint die Kunst der fünf Freunde hochaktuell. Sie ist eine Zeitreise zu den Wurzeln heutiger Fragen: der Angst vor Krieg, dem Umgang mit gesellschaftlicher Repression sowie der Auseinandersetzung mit Massenmedien und technischen Revolutionen.
Fünf Freunde. John Cage, Merce Cunningham, Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Cy Twombly
bis 17. August 2025