Krater Fajan - Viel Tamtam um Nichts

Die Rauminstallation des Kunst- und Architekturkollektiv Krater Fajan möchte als Liebeserklärung an die Tüftelei, das Experiment und die in der Zusammenarbeit im Kollektiv entstehende Reibung das vermeintliche Nichts zelebrieren. In der mit Holz und Seilen realisierten Intervention werden die Besucherinnen und Besucher selbst zu handelenden Akteuren und Akteurinnen und erleben mit allen Sinnen eine unmittelbare Raumerfahrung. Damit thematisiert die Ausstellung auch die Verluste und Sehnsüchte, die mit dem seit Ausbruch der Pandemie verordnetem "physical distancing" einhergehen.

2016 hat "Architektur und Tirol" (aut) mit dem Format "Kellerbar" den Versuch gestartet, ergänzend zu den langfristig geplanten Ausstellungen jungen, architekturaffinen und gesellschaftspolitisch interessierten Personen die Möglichkeit einer Raumintervention zu bieten. Damals haben Anna Lerchbaumer, Pia Prantl und Andreas Zißler unter dem Motto "LSF 50 – Entspannung pauschal im arabischen Sommer" im aut eine Strandbar eingerichtet. In Form einer mit Fotos, Postkarten, Audio- und Videomaterial sowie Souvenirs angereicherten Installation und performativen Diaabenden haben sie sich dem damals virulenten Thema von Pauschalreisen in unterschiedliche Länder gewidmet, die mit den Folgen von Terrorismus, instabilen politischen Verhältnissen und dem Ausbleiben von Hotelgästen konfrontiert waren. In der heurigen Ausgabe "Viel TamTam um Nichts" des Kunst- und Architekturkollektivs Krater Fajan sind es Fragestellungen rund um die derzeit aktuelle Coronakrise, die in einer Rauminstallation – dieses Mal auf der Galerie – aufgeworfen werden.

Das vorwiegend in Innsbruck tätige Kollektiv Krater Fajan wurde 2013 von mehreren Architekturstudenten gegründet und ist seit 2018 als Verein organisiert. Es hat es sich zur Aufgabe gemacht, den öffentlichen Raum durch künstlerische Interventionen aufzuwerten und zu attraktivieren. Bekannt wurde Krater Fajan vor allem mit innenarchitektonischen Gestaltungen von Gastronomiebetrieben wie den Lokalen "Kater ­Noster" und "Gang und Gebe" in Innsbruck sowie mit temporären Bauten für Festivals, etwa für das Theaterfestival Steudltenn im Zillertal. In Zusammenarbeit mit dem Institut für experimentelle Architektur Studio 3 der Universität Innsbruck waren Mitglieder des Kollektivs am Bau des bilding im Rapoldipark bzw. des temporären Stadtteilzentrum Reichenau beteiligt. Mit dem Innenausbau des Hostels "Montagu Bed & Beers" konnte Krater Fajan 2019 sein bisher umfangreichstes Projekt verwirklichen, das sich in den wenigen Wochen vor der pandemiebedingten Schließung bereits als qualitätsvoller Übernachtungsort für Reisende mit kleinem Urlaubsbudget etablieren konnte. Bei allen diesen Aktivitäten zeichnet die Gruppe aus, dass sie vom Entwurf über die Planung bis zur Umsetzung alle Schritte größtenteils selbst verantworten.

Der Ausbruch der Pandemie und die Maßnahmen zu deren Eindämmung haben seit vergangenem Frühjahr das Leben der Menschen in einer Art und Weise verändert und dominiert, wie es sich noch vor einem Jahr niemand vorstellen hätte können. "Lockdown", "Social Distancing", "Home Office", "Distance Learning" sind nur einige der Schlagwörter, die in unseren alltäglichen Sprachgebrauch Eingang gefunden haben und unsere "neue Normalität" prägen.

Einige der in Zusammenhang mit der gegenwärtigen Ausnahmesituation stehenden Themen greift Krater Fajan in der Rauminstallation "Viel TamTam um Nichts" fragmentarisch auf. Insbesondere widmen sie sich dem – eigentlich falsch bezeichneten – "social distancing" und dessen Auswirkungen im architektonischen und alltäglichen Kontext. Denn das, was wir als "social distancing" erleben, hat nicht wirklich mit sozialer, sehr wohl aber mit physischer Ferne zu tun. Selbst im Lockdown kommunizieren wir täglich mit unseren Mitmenschen, aber eben auf eine Weise, die unsere physische Präsenz nicht zwingend erfordert. Besprechungen werden in den virtuellen Raum verlagert, Familienfeiern und Treffen im Freundeskreis finden über Videotelefonie statt, Veranstaltungen werden gestreamt und auf der Couch verfolgt, Nachrichten geschickt, Fotos und Filme geteilt oder es wird einfach telefoniert. Was fehlt, sind aber der direkte, körperliche Kontakt, die unmittelbare physische Begegnung und die über eine rein optisch-akustische Wahrnehmung hinaus gehenden Erfahrungen.

Die Verluste und Sehnsüchte, die mit diesem "physical distancing" insbesondere im Zusammenhang mit Architektur- und Raumerfahrungen einhergehen, macht Krater Fajan in einer Installation erfahrbar, in der die Besucher_innen selbst zum/zur handelnden Akteur_in werden und in der sie Raumerfahrungen synästhetisch wahrnehmen können. Anstatt einer "stillen" Beobachtung, ermöglicht Krater Fajan den Besucher_innen beim Betreten und Durchwandern der mit Seilen und Holz realisierten Intervention eine unmittelbare Raumerfahrung mit allen Sinnen. Dabei möchte das Kollektiv über das gestalterische Mittel der Uneindeutigkeit ein Spannungsverhältnis zwischen Objekt und Besucher_in erzeugen. Denn was sich einem nicht auf Anhieb erklärt, macht neugierig und animiert dazu, das Dargebotene selbst zu erforschen und zu entdecken.

Dass Architektur heute oft nicht mehr als Raum- und Körpererfahrung wahrgenommen wird, ist nicht erst seit Corona ein Thema. Auch die Digitalisierung hat dazu beigetragen, dass die Dimension der Körperlichkeit zunehmend verloren geht und ein Gebäude etwa auf eine "instagram"- taugliche Kulisse reduziert wird. Daher bietet Krater Fajan den Besucher_innen auch die Möglichkeit, sich anhand von Texten, Videos, Büchern und Fotos in die Thematik Architektur und Körper zu vertiefen.

Krater Fajan
Viel Tamtam um Nichts

mit Arno Ritter (Leiter aut. architektur und tirol) und Mitgliedern des Kollektivs Krater Fajan)
21. Mai bis 18. September 2021