Koka Ramishvili - Radiance

Verschiedene Gruppenausstellungen bei Häusler Contemporary Zürich boten bereits die Gelegenheit, Werke von Koka Ramishvili (*1956, Tbilisi) zu entdecken. Nach zwei Einzelpräsentationen in der Münchner Galerie zeigt Zürich nun seine erste Einzelausstellung mit neuen Arbeiten des Künstlers, den etwa das MAMCO in Genf (2004), das das M HKA in Antwerpen (2011) oder die Biennale in Venedig 2009 zuvor umfangreich präsentierten.

In seinem multimedialen Werk, das Video, Malerei, Zeichnung, Fotografie, Objekte und Installationen gleichermassen beinhaltet, verfolgt der in Genf lebende Künstler Koka Ramishvili konsequent jene Themen, die ihn seit Beginn seiner Karriere beschäftigen: das Verhältnis von Form und Inhalt, von Geist und Materie, von Sein und Schein. Besonders in den Werken der 1990er Jahre bildeten oft auch politische Gegebenheiten die Ausgangslage, gehört Ramishvili doch zur sogenannten "letzten sowjetischen Generation" von Künstlern, die in Tbilisi ab 1991 eine rege Szene initiierten. Ramishvili war einer der wichtigen Impulsgeber dieses aktiven Kunstlebens, der mit sensibler Sensorik den Wechsel vom alten, sowjetischen zum neuen, westlichen System registriert und in feinfühlig denkwürdigen Umsetzungen visualisiert hat.

Unter dem vieldeutig poetischen Titel "Radiance" zeigt der Künstler bei uns nun exklusiv neue Gemälde, die formal eine Synthese aus alten Maltechniken und Farblehren der Moderne darstellen und die auf inhaltlicher Ebene das tradierte Bildverständnis vom Gemälde mit dem Blickwinkel der Kamera konterkarieren. Ramishvilis langjährige Beschäftigung mit dem Medium Video, das ihn international bekannt machte, wird so auch als wichtiger Faktor seines malerischen Denkens sichtbar. Die neuen Arbeiten stellen denn eine Art Gegenstück zum "Trompe l’oeil" der klassischen Malerei dar: Das Motiv wird zwar als Bedeutungsträger sichtbar gemacht, aber gleichzeitig als reine Oberfläche entlarvt. Das Gemälde öffnet sich dem Betrachter nicht mehr als "Fenster zur Welt", sondern entpuppt sich als subjektive und fragmentarische Widergabe einer möglichen, momentanen Weltsicht.

Eine monumentale zeitgenössische Landschaftsmalerei der Serie "Skyline" etwa, die einen fernen Horizont nur erahnen lässt, scheint von der Bildfläche verrutscht, sodass sich ein weisser Rand um das eigentliche Motiv herum abzeichnet. Wie der Film seine Aufnahmen im schnellen Wechsel von 24 Ansichten pro Sekunde über die Leinwand hetzt, muss auch hier das vom Maler gewählte Sujet sogleich wieder weichen, womit Leerraum für die Imaginationen des Betrachters entsteht.

Die bereits sehr farbfeldhaften "Skylines" haben ihre Fortsetzung in den unifarben nuancierten "Transitions"- oder "Ambient"-Werken. Ramishvili kombiniert in diesen Werken wie auch in den ebenfalls ausgestellten Papierarbeiten die Malweise der Flämischen Alten Meister mit Henry Munsells Theorie vom dreidimensionalen Farbaufbau. Der Amerikaner entwickelte Ende des neunzehnten Jahrhunderts sein bekanntes Farbordnungssystem, das mithilfe einer modellhaften "Farbkugel" die verschiedenen Farbtöne objektiv bestimmen lässt. Ramishvili gelingt mit dieser aufwändig komplexen Technik das Paradoxon, die Farbe sichtbar als Materie aus Licht und Luft auf der Bildfläche zu bannen.

Bildhafte Gegenständlichkeit – zumal auf den ersten Blick – bieten die "Projections". In einem schwarz-weiss gehaltenen Raum erstrahlt hell eine leere Leinwand als abstraktes Objekt und "Projektionsfläche", im doppelten Wortsinn. Auch hier ist das Blickfeld teils angeschnitten. Die historische Gattung der Malerei bemächtigt sich in diesen Werken der vergleichsweise jungen und vermeintlich realitätsabbildenden Technik des Films, um auch sie als zweidimensional illusionistisches Konstrukt sichtbar zu machen. Die Ausstellung rundet mit einigen neuen Objekte den Blick auf die jüngsten Entwicklungen im Schaffen von Koka Ramishvili ab, bei denen ein traditionelles Konzept – die Malerei – mit den zeitgenössischen Möglichkeiten des Bildes befragt wird. Deborah Keller

Koka Ramishvili - Radiance
28. Februar bis 24. Mai 2014