Klaus Mosettig. Nature morte

Die Arbeiten von Klaus Mosettig (geb. 1975 in Graz, lebt und arbeitet in Wien) basieren zumeist auf zeitintensiven, prozessualen Verfahren. Beispiele dafür sind seine über mehrere Jahre durchgeführten und exakt dokumentierten Apfelbaumzüchtungen oder die akribisch genauen "Projektorenporträts" - großformatige Zeichnungen von leer projizierten Lichtkegeln von Diaprojektoren, die die instrumentelle Abhängigkeit des Bildes ebenso sichtbar machen, wie das Rauschen der "Natur", das jegliche Form kultureller Wahrnehmung und Konstruktion begleitet.

Für den Kunstraum Dornbirn hat Klaus Mosettig eine neue, auf den Ort bezogene Installation entwickelt, die die Architektur der Montagehalle zur wesentlichen Protagonistin werden lässt. "Nature morte", der französische Ausdruck für Stillleben, bezeichnet den stillen Augenblick, der für Bilder konstitutiv ist und durch den sie auf ihre Weise in der Lage sind, uns die Welt von neuem zu zeigen. Durch eine Umkehrung gelingt es Klaus Mosettig diesen Augenblick selbst zu fokussieren: In einem fünf Monate dauernden Verfahren naturalistischen Zeichnens tastete er eine abstrakte Komposition von Jackson Pollock ab, die wie kaum eine andere mit Natur und Vitalität identifiziert wird, und stellte sie dadurch gleichsam still.

Die Präzision, mit der Mosettig die Farbkomposition Pollocks in ein fein nuanciertes Gewebe dunkel schimmernder Graphitschraffuren übersetzte, bringt nicht nur eine dem Ausgangsmaterial diametral entgegengesetzte Produktionsgeschwindigkeit zur Anwendung, sondern wirkt sich auch entschleunigend auf unsere Wahrnehmung aus. Die Nahsicht auf die Zeichnung erfordert von den Betrachter/innen einen verlangsamten Blick, der über die mikroskopischen Territorien des Bildes wandert, wobei ein nicht unwesentlicher Anteil der Entschleunigungswirkung darin besteht, dass im Nachvollziehen der manuellen Graphitschraffur ein Teil der investierten Arbeits- und Lebenszeit noch einmal deutlich wird. Gleichzeitig hinterfragt die Ausstellung Aufwands- und Verteilungsökonomien zeitgenössischer Kunst: Zwar bleibt der Prozess der zeichnerischen Interpretation ein exklusives, vom Künstler vorgenommenes Verfahren, der Zugriff auf Kunst bzw. die Verbreitung von Kunst erfährt durch die 1:1-Reproduktion im Katalog jedoch eine Form von Demokratisierung, die dadurch erweitert wird, dass jede/r Besucher/in eine Ausgabe der Publikation zum Eintritt dazu erhält (solange der Vorrat reicht). Jürgen Tabor

Klaus Mosettig. Nature morte
25. Juni bis 15. August 2010