Karimah Ashadu - Plateau

Karimah Ashadu verhandelt in ihren Werken die Lebens- und Arbeitsbedingungen im sozioökonomischen Kontext Westafrikas. In ihrer neuen, in der Secession erstmals gezeigten Filminstallation Plateau erzählt die Filmemacherin und Künstlerin von nicht registrierten Arbeitern, die auf dem Jos-Plateau in Zentralnigeria nach Zinn und Kolumbit schürfen.

In der zerfurchten, mit künstlichen Kratern und Teichen übersäten Landschaft wird seit fast 3000 Jahren Bergbau betrieben. Der Zinnabbau wurde in der Kolonialzeit zur Industrie ausgebaut und erreichte in den 1940ern seinen Höhepunkt, bevor der Markt 1985 mit dem Ende des Internationalen Handelsabkommens für Zinn (ITA) drastisch einbrach und in der Folge die Minen geschlossen und die Arbeiter entlassen wurden. War die Elterngeneration gezwungen, sich zu verdingen und den Kolonialherren allen Reichtum zu überlassen, so sind die Arbeiter heute selbstständig. Getragen vom Glücksversprechen und Gewinnaussichten setzen sie sich den gefährlichen Arbeitsbedingungen und der schweren körperlichen Arbeit aus und graben ihr Land auf der Suche nach den Mineralien ein zweites Mal um.

Ohne zu moralisieren, fokussiert Ashadu die Schönheit im Alltäglichen sowie die Selbstständigkeit der Menschen und ihren Emanzipationsversuch. Die Künstlerin über ihre Intention:

„Was Plateau mich gelehrt hat, ist, dass ich bei all meinen Filmen immer nach Wegen suche, Arbeit als eine Art auf Unabhängigkeit gerichtete Praxis zu betrachten. Ich interessiere mich sehr für Industrie und Wirtschaft, weil sie ein Land zu dem machen, was es ist, und dafür, wie die Menschen durch ihre Arbeit das Land, seine Werte und seine Ideen zum Leben erwecken. Und das knüpft wieder an den Begriff der Unabhängigkeit an und daran, wie sich dieser heute auswirkt. Also die Unabhängigkeit nicht nur eines Landes, sondern im Hinblick auf die individuellen Umstände.“

Im Film legen Arbeiter, Dorfbewohner und Landbesitzer Zeugnis ab von ihrem Selbstverständnis, berichten von ihrer Tradition und reflektieren die Zerstörung der Landschaft, Ungerechtigkeiten und Besitz ebenso wie ihre Risiken und Gewinne. Ihre Aussagen eröffnen verschiedene Blickwinkel auf die komplexe Geschichte des Zinnabbaus und die Ausbeutung des Landes. Während die Stimmen der Protagonisten die Geschichten erzählen, lotet die Künstlerin durch ihre ungewöhnliche Art der Kameraführung den Raum zwischen sich, der Kamera und den gefilmten Körpern aus. Ashadus filmischer Ansatz ist ein beobachtender, der sich der Anatomie der Bewegung unterwirft und dadurch neue Perspektiven gewinnt. Mit mäanderndem Blick wendet sie sich den Körpern der MinenarbeiterInnen mit ihren schürfenden Händen und Füßen im Schlamm ebenso unmittelbar zu, wie sie den farblichen Reichtum der Landschaft mit ihren leuchtenden rostroten und ockergelben Tönen einfängt. Gleich zu Beginn des Filmes wird dabei der Kaktus als das Motiv eingeführt, das den gesamten Film wie eine Art Metapher durchzieht. Im Volk der Berom wird dem Kaktus nicht nur für die Kultivierung und den Schutz des Landes große Bedeutung beigemessen, es identifiziert sich auch selbst mit seiner Unverwüstlichkeit und Widerstandskraft.

Für die Secession hat Ashadu eine Installation entwickelt, die unterschiedliche Aspekte des Films aufgreift und verdichtet. So erfährt ihre poetische Montagetechnik, mit der sie eine Vielfalt an Stimmen zusammenführt, durch die Konzeption als Zwei-Kanal-Arbeit eine zusätzliche Erweiterung. Auf dem kleinen Bildschirm lässt sie immer wieder plötzlich kurze Sequenzen aufblitzen, die den Erzählfluss durch Nahaufnahmen von ihm Lehm vergrabenen Händen oder Füßen durchbrechen und die Betrachter_innen mit alternativen Perspektiven konfrontieren.

Die den Film charakterisierenden, erdigen Farben kehren in der Gestaltung des Ausstellungsraums und des Stiegenhaus wieder. Außerdem umfasst Ashadus Installation zwei mit Lehm bearbeitete Fotografien und eine Reihe von Skulpturen aus Lehm, den die Künstlerin in Jos beschafft hat, gefundenen Stofflappen, gefärbtem Glas und unverarbeitetem Zinn. Die eingravierten Begriffe spiegeln die Ambivalenz wieder, der die Arbeiter zwischen hohem Einsatz, Gewinn und Verlust ausgesetzt sind. Zugleich steht die Materialität des Glases in unmittelbaren Bezug zu kolonialen Machtstrukturen und Mechanismen der Sichtbarkeit; dazu die Künstlerin:
„Dieses Nebeneinander von Materialien erzeugt eine sehr interessante Balance zwischen einer Art von Schwerelosigkeit und einer Erdung. Die Idee für das Glas entstand durch Geschichten, die mir bei Recherchen in Jos erzählt wurden. Zur Zeit des kolonialen Bergbaus waren die Ureinwohner des Landes anscheinend nicht mit Glas oder Spiegeln vertraut und die Kolonisatoren brachten Spiegel und Gläser mit und stellten sie in den Boden, so dass die Arbeiter sich beobachtet fühlten. Glas wurde also im Grunde als Kontrollmechanismus verwendet. (...) Das ließ mich an die Verletzbarkeit denken, die darin besteht, beobachtet zu werden.“

Karimah Ashadu, geboren 1985 in London, lebt und arbeitet in Hamburg und Lagos.

Karimah Ashadu
Plateau
2. Juli bis 5. September 2021
Grafisches Kabinett
Kuratorin: Annette Südbeck