Kameradschaft

6. September 2018 Walter Gasperi
Bildteil

Georg Wilhelm Pabst plädiert in seinem 1931 entstandenen Bergarbeiterfilm, der immer noch durch seinen Realismus packt, leidenschaftlich für die Solidarität der Arbeiter und gegen Nationalismus. Bei Atlas Film ist der Klassiker in einem Mediabook auf DVD und Blu-Ray erschienen.

Nur ein Jahr nach seinem erschütternden Antikriegsfilm "Westfront 1918" (1930) drehte Georg Wilhelm Papst den Bergarbeiterfilm "Kameradschaft". Angeregt wurde er dazu durch das Grubenunglück von Courrières, bei dem 1906 über 1000 Bergleute ums Leben kamen. Unterstützt wurden die Franzosen bei den Rettungsmaßnahmen auch von einer deutschen Mannschaft.

Pabst verlegte die Ereignisse aber einerseits direkt an die deutsch-französische Grenze und andererseits in die Zwischenkriegszeit. Spürbar werden die immer noch herrschenden Ressentiments zwischen Deutschen und Franzosen, wenn deutsche Kumpel einen Ball in Frankreich besuchen, und die Feindbilder aus dem Ersten Weltkrieg werden wach, wenn ein deutscher Retter, der aus Sicherheitsgründen eine Gasmaske trägt, einem französischen Kumpel zu Hilfe kommen will. Blitzlichtartig brechen beim Franzosen dann Bilder vom mörderischen Stellungskrieg in den Schützengräben herein und er versucht seinen Retter zu töten.

Nur zögerlich findet so auch der Deutsche Kasper Zuspruch, als er dafür eintritt, dass man den Franzosen nach einem Grubenunglück helfen müsse, denn "Kumpel ist Kumpel". Herrscht zunächst die Meinung vor, dass sich die Franzosen doch selbst helfen sollen, schließen sich bald immer mehr deutsche Bergleute Kasper an.

Der grenzüberschreitenden Solidarität der Bergarbeiter stellt Pabst die Bürokratie und das Beamtentum gegenüber, das im Pochen auf Ordnung die schnelle und unbürokratische Hilfe behindert. Wie in Jean Renoirs "Die große Illusion" (1938) erscheinen auch hier die Abstände zwischen den sozialen Klassen, im Speziellen zwischen Unternehmern und Arbeitern, als weit größer als die zwischen den deutschen und französischen Bergleuten. Einerseits sieht man so immer wieder Grenzbalken, andererseits verschlossene Tore vor der Zeche, an denen die Aufsichtskräfte die verzweifelten Angehörigen mit Gewalt abwehren.

Pabst beschwört aber nicht nur eindringlich die Solidarität der Arbeiterschaft, sondern vermittelt auch in dem teilweise in Bergwerken gedrehten Film mit großem Realismus fast dokumentarisch atmosphärisch dicht und packend die Enge und Dunkelheit der Stollen, die physisch extrem anstrengende Arbeit und die ständige Angst vor Feuer und Gasaustritt.

Gekonnt macht er die große Tragödie, bei der im Film 600 Bergleute in der Zeche eingeschlossen werden, an Einzelschicksalen fest und schürt Emotionen, wenn Kasper Frau und Kind zurücklässt um den eingeschlossenen Kollegen zu helfen, wenn ein alter ehemaliger Bergarbeiter in den Stollen nach seinem Enkel sucht oder die junge Francoise, die gerade nach Paris aufbrechen will, um ihren eingeschlossenen Bruder Jean bangt.

Wie in "Westfront 1918" geht es dem österreichischen Regisseur nicht so sehr darum stringent eine Geschichte zu erzählen und manches bleibt unübersichtlich und bruchstückhaft. Wichtiger ist ihm ein ungeschönt realistisches Bild der harten und gefährlichen Arbeit zu vermitteln und entschieden für Völkerverständigung zu plädieren. Nicht unwesentlich trägt zur starken Wirkung auch bei, dass die Charaktere jeweils in ihrer Landessprache sprechen und französische Passagen deutsch untertitelt sind.

Wenig Hoffnung macht sich Pabst freilich, dass die Autoritäten an einem Einreissen der Grenzen und einer internationalen Gemeinschaft wirklich Interesse haben. Denn mögen die Kumpel auch bei der Rettungsaktion das 1919 im Stollen errichtete Grenzgitter einreißen und nach der erfolgreichen Aktion trotz Kommunikationsproblemen aufgrund der verschiedenen Sprachen ihre Gemeinschaft beschwören, so wird doch am Ende unsichtbar für die Masse im Stollen von den deutschen und französischen Behörden gemeinsam wieder das Grenzgitter einbetoniert.

An Sprachversionen verfügt das bei Atlas Film erschienene Mediabook, das den Film als DVD und Blu-ray enthält, die deutsch-französische Originalfassung sowie englische und französische Untertitel. An Extras verfügt das Mediabook über ein ausführliches Booklet, das neben einem zeitgenössischen Filmheft, Artikel zur Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte sowie zur Restaurierung des Films, zeitgenössische Pressestimmen und einen Kommentar Georg Wilhelm Pabsts zu seinem Klassiker enthält.