An kalten deutschen Sommertagen

24. August 2011 Rosemarie Schmitt
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In kaum einer Musik steckt so viel Sommer wie in dieser. Mit den ersten Takten stellt sich beinahe unvermeidbar das Gefühl von Lebenslust und Urlaub, inklusive sonnengewärmter Seele, ein. Kaum jemandem mag es gelingen, sich nicht wenigstens ein kleines bisschen zu diesen Rhythmen zu bewegen. Pure und unbändige Lebensfreude steckt in solchen Menschen, die diese Musik machen. Lebensfreude, die Musiker wie Sergio Rivero empfinden, weil sie das Glück zu schätzen wissen, das ihnen eben so oft nicht vergönnt war.

Seine Musik ist weit über die kubanischen Grenzen hinaus bekannt, über sein Leben und den Menschen Sergio Rivero jedoch ist selbst im Worl-Wide-Web wenig zu finden. Doch wenig, bedeutet nicht Nichts, und es gewinnt an Bedeutung, wenn der Mensch um des es hier geht, uns selbst erzählt. Da ich eigene Anmerkungen partout nicht lassen kann, finden Sie diese in den Klammern:

"Geboren wurde ich in Santiago de Cuba (1931), aber schon in jungen Jahren ging ich, wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation meiner Familie, mit meiner Mutter und meiner jüngeren Schwester nach Habana (Havanna, die Hauptstadt der Republik Kuba, einem Inselstaat in der Karibik). In Habana arbeitete ich als Karosseriebauer (er war etwa 17) in einer Autowerkstatt. In dieser Zeit, 1948, stellte ich meine erste eigene Komposition fertig. Als meine Mutter starb, kündigte ich meine Stellung in der Autowerkstatt. Ich versuchte Anschluß an die Künstlerszene zu finden, indem ich meine Kompositionen verschiedenen Orchestern anbot. Damals wußte ich noch nicht, daß mein Entschluß, Musiker zu werden, mir bittere und verschiedenartige Erfahrungen einbringen würde.

Zwei Jahre war ich gezwungen, auf der Straße zu wohnen, da ich nicht mal mehr mein Zimmer bezahlen konnte. Ich schlief in Autos oder wo auch immer man eine Nacht verbringen konnte, bis mir ein freundlicher Mensch anbot, in seiner Garage zu wohnen. 1956 trat ich dem Orchester Super Colosal bei, obwohl ich wußte, daß das kein idealer Start für mich sein würde. Aber immerhin war es meine erste professionelle Arbeit als Musiker. Ich stellte mich bei Modesto Vázques, dem Chef der Radio-Station Cadena Habana vor. A capella sang ich damals meine Nummer "El Haitiano" vor. Dieser Titel gefiel ihm gut und so lud er mich ein, "El Haitiano" zusammen mit dem Orchester von Neno Gonzales im Radio zu singen. Das war 1957 und bis heute blieb mir dadurch der Künstlername El Haitiano erhalten (Haiti, eine Nachbarinsel Kubas)..."

Dies ist nur ein Auszug seines "Lebenslaufes". Den kompletten Text finden Sie im Begleitheft seiner CD "Ay Lola", die das Label Timba (Vertrieb: Inakustik) veröffentlichte. Der im gleichen Jahr wie Raúl Castro (der Bruder Fidel Castros) geborene Kubaner, verließ seine Heimat erstmals 1968, was ihm, da er keine Genehmigung zur Ausreise hatte, 3 Jahre Gefängnis einbrachte. Gemeinsam mit Frau und Tochter ging er im Jahre 1980 ein zweites Mal. Als politische Exilanten fanden die drei in Spanien eine neue Heimat.

In diesem Jahr wird oder wurde Sergio Rivero 80! Sein exaktes Geburtsdatum konnte ich zwar nicht in Erfahrung bringen, doch daß dieser wunderbare Musiker in der Lage ist, mit seiner Musik einem verregnet kalten deutschen Sommertag ein paar wärmende Sonnenstunden zu verabreichen, das durfte ich erfahren.

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt