Die Ausstellung im Kunstmuseum Bern zeigt wichtige Werke der Begründer des Kubismus und beleuchtet die aussergewöhnliche Freundschaft zwischen dem Pariser Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler und dem Berner Kaufmann und Sammler Hermann Rupf.
In Paris lebte der Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler (1884-1979), der mit Gemälden von Pablo Picasso, Georges Braque und Juan Gris handelte - in Bern der Kaufmann Hermann Rupf (1880-1962), der am Waisenhausplatz Posamenten, Knöpfe und edle Tücher verkaufte. Aus der aussergewöhnlichen Freundschaft der beiden Protagonisten entstand ab 1907 die Sammlung Rupf, die heute im Kunstmuseum Bern deponiert ist. Der enge Kontakt zwischen den beiden überdauerte widrige Umstände. Er blieb auch bestehen, als Kahnweilers Familie 1940 im Zuge der deutschen Besatzung und des entfesselten Antisemitismus aus Paris fliehen und später untertauchen musste. Die Ausstellung in Bern zeigt Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen aus der Sammlung Rupf, darunter Werke von Pablo Picasso, Juan Gris, Georges Braque, André Derain und Paul Klee. Darüber hinaus öffnet sie erstmals die persönliche Korrespondenz zwischen Rupf und Kahnweiler aus den prekären Jahren 1933 bis 1945 und beleuchtet so die Sammlung im Zeichen einer Freundschaft in aussergewöhnlichen Zeiten.
Daniel-Henry Kahnweiler und Hermann Rupf lernten sich 1901 während ihres Studiums in Frankfurt kennen. In ihrer Freizeit entdeckten sie ihre gemeinsame Leidenschaft für die Kunst, die sie ein Leben lang begleiten sollte. Während Rupf ab 1905 als Kaufmann in Bern tätig war, eröffnete Kahnweiler 1907 in Paris eine Kunstgalerie, deren erster Sammler Rupf wurde. In den folgenden Jahren machte sich Kahnweilers Galerie rasch einen Namen mit Vertretern des Kubismus wie Picasso und Braque, deren Werke von Anfang an auch in Rupfs Sammlung vertreten waren.
Doch die Verbindung der beiden Freunde blieb nicht auf die Kunst beschränkt: Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, lud Hermann Rupf seinen Freund zu sich nach Bern ein. Kahnweiler, der als deutscher Staatsbürger seine Galerie in Paris nicht weiterführen konnte, folgte der Einladung und blieb während der Kriegsjahre in der Schweiz. Aus dieser engen Freundschaft und dem ständigen Dialog über die Kunst entstand im Laufe der Jahre eine einzigartige und hochkarätige Sammlung.
Die ab 1907 entstandene Sammlung Rupf bietet einen besonderen Blick auf die Moderne. Sie spiegelt in einzigartiger Weise die Anfänge der künstlerischen Avantgarde und insbesondere die Geschichte des Kubismus wider. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 konnte Rupf bereits eine erlesene Gruppe von 30 Kunstwerken von Kahnweiler erwerben. Darunter befanden sich neben Werken der Fauves auch Gemälde von Picasso und Braque, die heute zu den Ikonen des Kubismus zählen. In den 1920er Jahren gelangten Werke von Fernand Léger sowie eine repräsentative Gruppe von Gemälden des jung verstorbenen Kubisten Juan Gris über Kahnweiler zu Rupf. Diese grosse Werkgruppe von Gris ist einer der Höhepunkte der Sammlung. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Werke von Paul Klee, darunter das berühmte Niesen-Aquarell (1915). Durch Rupf kam Kahnweiler in seiner Berner Zeit in Kontakt mit Klee, für den er ab 1934 sogar die Generalvertretung übernahm. Die Verfemung moderner Kunst und die Verfolgung moderner Künstler:innen durch die Nationalsozialisten hatte auch Auswirkungen auf den Kunstmarkt in der Schweiz. So fand 1939 in Luzern die berüchtigte Versteigerung sogenannter "entarteter Kunst" aus deutschem Museumsbesitz statt, deren Erlös dem deutschen Regime zufloss. Im Nachverkauf erwarb Rupf trotz Bedenken das Gemälde Gartenrestaurant (1912) von August Macke.
Bisher unveröffentlichte Briefe
"Wenn der Krieg mehrere Jahre andauert, muss das Leben doch noch einigermaßen normal weitergehen". Rupf an Kahnweiler, 27.4.1940
"Wir sind mitten in entscheidenden Stunden. Das Schicksal unserer Zivilisation, unserer Welt, ja von uns allen steht auf der Kippe. Ich bewahre dennoch mein volles Vertrauen". Kahnweiler an Rupf, 27.5.1940
Diese Worte schrieb Kahnweiler am 27. Mai 1940 an Rupf, nachdem die deutsche Wehrmacht in Frankreich rasch auf Paris vorgerückt war. Kurz vor der Besetzung von Paris gelang Kahnweiler im Juni 1940 zusammen mit seiner Frau Lucie die Flucht ins Limousin, in das vorerst noch unbesetzte Südfrankreich. Von dort erreichten Rupf in Bern rund 40 lange, oft sehr persönliche Briefe, die im Rahmen der Ausstellung erstmals publiziert werden. Um nicht aufzufallen, sind sie auf Französisch verfasst und berichten nicht von Politik, sondern vom Leben auf dem Land, von der Emigration der Freunde, von Ängsten und Krankheiten - und von der intensiven Beschäftigung mit Fragen der Kunst. Kahnweiler widmete seine Zeit im Exil vor allem Juan Gris, über den er eine grundlegende Monografie schrieb, die kurz nach dem Krieg erscheinen konnte. Im Rückblick beschrieb er diese Zeit mit einem denkwürdigen Paradox: "Das Paradies im Schatten der Krematorien".
Im August 1943 riss der Briefwechsel zwischen Kahnweiler und Rupf abrupt ab. Der als Jude verfolgte Kahnweiler entging nur knapp der Verhaftung durch die Gestapo und musste untertauchen. Erst am 16. Dezember 1944 meldete er sich aus Paris zurück.
Neben den herausragenden Kunstwerken aus der Sammlung Rupf macht die Ausstellung den Briefwechsel der beiden Freunde sichtbar und an einer Hörstation hörbar. So entsteht nicht nur ein neuer Einblick in das Leben und Denken eines der bedeutendsten Kunsthändler seiner Zeit, sondern auch das berührende Porträt einer tiefen und lebenslangen Freundschaft.
Kahnweiler & Rupf. Eine Freundschaft zwischen Bern und Paris.
bis 23. März 2025