29. Mai 2023 - 8:47 / Aktuell / Köpfe 

Der sowjetisch-amerikanische Konzeptkünstler, Maler und Grafiker Ilya Kabakov ist am vergangenen Samstag im 90. Lebensjahr verstorben. In der Ukraine geboren galt Kabakov seit den 1970er Jahren in Moskau als führender Vertreter der nichtoffiziellen Sowjetkunst. Mit "totalen Installationen" über Utopisches avancierte er nach der Emigration Ende der Achtziger auch zum internationalen Kunststar.

Kabakov, der 1933 in Dnepropetrowsk, heute Dnipro, im östlichen Teil der damalige. ukrainischen Sokjetrepublik in einfachen Verhältnissen geboren wurde, studierte in den 1950er Jahren unter anderem am renommierten Surikow-Institut in Moskau. Nach anfänglicher Landschaftsmalerei, die an sowjetische Avantgardisten wie Robert Falk erinnerte, entstanden zunehmend konzeptuelle Gemälde und Grafiken mit ironischen Kommentaren zum sowjetischen Alltag. Als Hauptvertreter des von ihm mitgeprägten "Moskauer Konzeptualismus" avancierte er bald zum Star des sowjetischen Undergrounds, dessen Vertreter sich regelmäßig in seinem Atelier im Zentrum von Moskau trafen.

Als ihn 1987 der damalige Leiter des Grazer Kunstvereins, Peter Pakesch, für einen mehrmonatigen Aufenthalt nach Graz einlud, erhielt Kabakov überraschenderweise das nötige Ausreisevisum. Unter KPdSU-Generalsektretär Michail Gorbatschow hatte sich das kultur- und außenpolitische Klima in der Sowjetunion zu verändern begonnen.

Kabakovs Installation "Before Supper“ (Vor dem Abendessen) war nach ihrer Präsentation in der Grazer Oper auch auf der Biennale in Venedig zu sehen, was sich später als Auftakt einer großen internationalen Karriere herausstellte. Danach übersiedelte der Künstler, der lange Zeit nicht mehr in die Sowjetunion zurückkehrte nach New York und trat mit seiner dritten Gattin Emilia fortan in Co-Autorenschaft auf. Im Exil reüssierte er insbesondere mit "totalen Installationen", mit denen er bereits in den Achtzigerjahren in seinem Moskauer Atelier zu experimentieren begonnen hatte.

Von 1992 bis 1993 lehrte Kabakov an der Städelschule in Frankfurt am Main. 1992 wurden Arbeiten auf der Documenta IX in Kassel gezeigt. 1990 erhielt er den Kunstpreis Aachen, 1993 den Max-Beckmann-Preis, den Schweizer Joseph-Beuys-Preis und das Ehrendiplom der Biennale von Venedig. 1998 wurde er mit dem Goslarer Kaiserring ausgezeichnet.

In der Zeche Zollverein im deutschen Essen ist seit 2001 die gigantische Dauerinstallation "Palast der Projekte" mit 61 fiktiven Sowjetutopien zu sehen. Zahllose Ausstellungen in führenden internationalen Kunstinstitutionen führten dazu, dass Ilya und Emila Kababov in wichtigen Ratings auftauchten und sie wahrscheinlich die einzigen aus der Sowjetunion gebürtigen Künstler ihrer Generation sind, die in jeder großen internationalen Kunstgeschichte Erwähnung finden werden.

Mit Unterstützung russischer Oligarchen zeigte er 2004 seine große Personale "Ein Vorfall im Museum und andere Installationen" in der Eremitage in St. Petersburg. 2018 zeigten nach der Londoner Tate Gallery die Eremitage und Tretjakow-Galerie in Moskau schließlich die Personale "In die Zukunft werden nicht alle mitgenommen". Der gesundheitlich bereits angeschlagene Künstler reiste damals nicht mehr nach St. Petersburg und Moskau, zur Eröffnung sprach seine Gattin und Co-Autorin Emilia. 2022 verurteilte Emilia auch im Namen beider den Krieg Russlands gegen die Ukraine.



Ilya Kabakov im Jahre 2017 (Garagemca/ CC BY-SA 3.0)
Ilya Kabakov im Jahre 2017 (Garagemca/ CC BY-SA 3.0)