Juwelen des Lichts

Ob Bergkristall, Glas oder Kunststoff – kaum ein anderes Gestaltungsthema hat über die Jahrhunderte hinweg eine solch facettenreiche und fantasievolle Entwicklung erlebt wie der Kronleuchter. Das Herstellen eines Kronleuchters verbindet seit jeher die unterschiedlichsten Handwerkskünste mit neuester Technologie. In ihm vereinen sich Gebrauchswert und Schmuck, Symbol und Luxus mit gestalterischer und künstlerischer Experimentierfreude.

Kronleuchter, je nach Sprachgebiet auch Krone, Luster oder Lüster genannt, gab es schon im Mittelalter. Der Sonnenkönig Louis XIV. machte sie zu einem Muss in den Herrscherhäusern des 17. Jahrhunderts und die in ihm verborgene Symbolik erhob den Kronleuchter zum fürstlichen Statussymbol. Vermögen wurden ausgegeben für die "aus mehreren Armen bestehenden Leuchter, welche an einer Schnur in der Mitte eines Zimmers hänget, von der Ähnlichkeit mit einer Krone", wie das Objekt der Begierde in der Enzyclopédie von 1791 beschrieben wurde. Friedrich der Grosse schwärmte für die Lüster und kaufte in Frankreich en masse Vorlagen für seine eigenen Kunsthandwerker.

Mit der Industrialisierung wurde aus dem exklusiven Kunststück Massenware. Die Erfindung der Glühbirne und der Einzug des Kronleuchters en miniature in die bürgerlichen Wohnstuben degradierten ihn zur Dekoration. Heute hängt der Kronleuchter nicht mehr allein in Räumlichkeiten der Macht, des Luxus oder der Kultur, sondern gleichermassen im Bioladen und im Nachtclub, im Schaufenster oder im Friseurladen. Architekten setzen ihn als Kontrapunkt gegenüber reduziertem Design und verstehen ihn als Teil ihrer Raumkonzepte. Selbst in den Küchen heutiger Wohngemeinschaften erstrahlt sein Glanz – das einst antibürgerliche Konzept der Glühbirne am Elektrokabel hat scheinbar auf allen Ebenen ausgedient. Der Kronleuchter war und ist immer wieder Ausdruck des Zeitgeists, heute genauso wie vor 300 Jahren.

Die ausgewählten Exponate beleuchten erstmals die stilbildende Entwicklung des Kronleuchters vom Öllämpchen bis zur Leuchtdiode, vom böhmischen Barockluster zu Philippe Starks extravagantem Chandelier für Baccarat. Eine Entwurfszeichnung aus der Werkstatt des Giovanni Battista Metellino für einen Kronleuchter mit Bergkristallbehang aus dem Jahr 1720 findet sich ebenso in der Ausstellung wie die zeitgenössische Umsetzung eines Kronleuchterdetails des Berliner Künstlers Martin von Ostrowski im Schloss Sanssouci. Lichtdesigner wie Ingo Maurer experimentieren auch mit dem Material, und die künstlerischen Positionen des Kaliforniers Jason Rhoades und der Zürcher Künstlerin Ursula Palla loten verborgene Potenziale des Objekts aus.

Kronleuchter − Juwelen des Lichts
3. Dezember 2010 bis 27. März 2011