Die Retrospektive in der Neuen Galerie Graz spannt einen großen Bogen über das umfangreiche Werk des Künstlers. Ausgehend von den frühesten Arbeiten Knifers aus den späten 1950er-Jahren, in denen der Künstler in zahlreichen formalen Experimenten, die aus den Errungenschaften der Moderne schöpften, seinen Weg zum idealen Bild bzw. "Antibild" suchte, über die intensive Entfaltung des Mäander-Motivs ab ca. 1960 bis hin zu den späten Arbeiten der 1990er-Jahre.
Julije Knifer (1924 Osijek – 2004 Paris) zählt zu den renommiertesten internationalen Künstlern nach 1945. Mit seinen signifikanten Mäander-Bildern hat er Ikonen der zeitgenössischen Kunst geschaffen und an zahlreichen prominenten Orten weltweit ausgestellt. Ausgehend von konstruktivistischen Traditionen der Nove Tendencije und im Zuge der postexpressiven, konzeptuell-minimalistischen Strömungen der Malerei in Europa und den USA in den 1950er-Jahren gelangte Knifer um 1960 mit den Mäander-Bildern zu seinem signifikanten Motiv.
Mit der grundlegenden Intention der Schaffung eines "Antibildes" durch den Prozess der extremen Reduktion von Formen und Inhalten strebte Knifer nach Ausdrucksmöglichkeiten des Absurden als einem Mittel, traditionelle Wertesysteme der Kunst und die ihnen entsprechenden Normvorstellungen der Nachkriegsgesellschaft teils provozierend zu hinterfragen. Diese Intention war ganz im Sinn des lose zusammengeschlossenen Künstlerkollektivs der Gorgona-Gruppe (1959‒1966), welche von ihm mitbegründet wurde. Damit sind Knifer und Gorgona vergleichbar mit Zeitgenossen wie beispielsweise den Vertreter_innen der Fluxus-Bewegung oder den Protagonisten des Wiener Aktionismus der 1960er-Jahre. Wie diese und viele andere Künstler_innen der Nachkriegsavantgarde und Intellektuelle sah Knifer nach den Ereignissen des Weltkriegs die Kunst an einem Wendepunkt angelangt, der eine kritiklose Weiterführung traditioneller Richtungen unmöglich machte.
Die Idee des "Antibildes" ist nicht zuletzt diesem Umstand geschuldet. Die Überlegung, Bilder "ohne Identität" zu schaffen, oder ‒ einer anderen Aussage Knifers gemäß ‒ mit seiner Kunst das "vollständige Verschwinden des Bildes" anzustreben, lässt sich auch im allgemeinen Kontext zeitgemäßer Überlegungen der kritischen Auseinandersetzung mit dem Medium Malerei verstehen. Für Knifer bedeutete das Element der Wiederholung in der Arbeit an den Mäander-Bildern, die sich teils über Monate erstreckte und auch starke meditative Aspekte einschloss, auch eine "ganz bestimmte Form der Freiheit (...), mein gesamter Arbeitsprozess ist eigentlich ein Strom ohne Schwingungen und mit dem Ziel, Monotonie zu erreichen, die der einfachste und ausgeprägteste Rhythmus ist".
Knifer war mit Ausstellungen in den prominentesten Institutionen der internationalen zeitgenössischen Kunst vertreten, seine Werke sind in exklusiven Privat- und Museumssammlungen zu finden, wie etwa im Moma in New York und in der Sammlung des Centre Pompidou in Paris, wo Knifer auch einen Großteil seines Lebens verbrachte. Mit Graz ist Julije Knifer durch seine Teilnahme an der Ausstellung "Trigon 77" , welche unter dem Thema "Der kreative Prozeß" lief, verbunden. Die Sammlung der Neuen Galerie Graz besitzt u. a. aus dieser Zeit einige Werke des Künstlers sowie eine Dokumentation der aufsehenerregenden Aktion Arbeitsprozess Tübingen aus dem Jahr 1975, wo ein monumentaler Mäander in einem aufgelassenen Steinbruch entrollt worden war.
Julije Knifer - Kompromisslos
8. Dezember 2020 bis 22. August 2021
Kuratiert von Radmila Iva Janković, MSU, Zagreb