Mit dem Ausstellungsprojekt "Jugendstil. Die große Utopie" wagt das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) einen neuen Zugang zu dieser Epoche. Anders als vor gut 100 Jahren, als der Jugendstil "le dernier cri" war, kann er heute über reine Stilgeschichte hinaus eine Parallele eröffnen zu komplexen Phänomenen, die nach wie vor gesellschaftliche Bedeutung haben: Ressourcenknappheit und Materialfragen, prekäre Arbeitsbedingungen und Konsumverhalten, ökologische und ästhetische Abwägungen in Herstellungsprozessen oder der Wunsch nach stilvoller, repräsentativer Inneneinrichtung sind nur wenige Aspekte, die zentral für die Reformbewegung um 1900 waren und auch heutige Konsumentscheidungen beeinflussen.
Die gedanklichen Wurzeln und Motivationen des Jugendstils bilden daher die Grundlage in der Auswahl der Exponate und in der Neuinszenierung. Als zentrales Thema bleibt etwa die Weltausstellung 1900 in Paris als internationale Plattform modernen Designs wichtiger Bezugspunkt in der Neueinrichtung der ständigen Sammlung zum Jugendstil. Hinzu kommt die Flucht vor der europäischen Industrialisierung und Technologisierung zu Sehnsuchtsorten wie dem Mittelalter oder in die Natur. Ein weiterer Aspekt ist die Veränderung des Körpergefühls in der Reformmode und im neuen Tanz. Das Ausstellungsprojekt nähert sich einer ideengeschichtlichen Verortung des Jugendstils als Reformbewegung mit ihren vielfältigen Facetten und Extremen. Mit besonderem Fokus auf dem Verhältnis von Natur und Technik beleuchtet sie unterschiedlichste Disziplinen, die über reines Kunsthandwerk hinaus bis in die Medizingeschichte und Filmtechnik reichen.
An den Exponaten sind künstlerische Positionen abzulesen, die sich mit technologischen Neuerungen, aber auch mit Theorien von Karl Marx (1818-1883) bis Sigmund Freud (1856-1939) auseinandersetzen. Die Idealvorstellung vom höherwertigen Handwerk gegenüber dem Industrieartikel kollidiert jedoch mit den kommerziellen Wettbewerbsideen und Vermarktungsstrategien der damaligen Zeit. So bewegt sich das Ausstellungsprojekt auch an der Schnittstelle von Utopie und Kapitalismus. Zu sehen sind Gemälde, Skulpturen, Grafiken, Plakate, Bücher, Tapisserien, Reformkleider, Fotografien, Filme, naturwissenschaftliche bzw. medizinhistorische Apparaturen und Modelle.
Zu den gezeigten Künstlern zählen u.a. Emile Bernard, Edward Burne-Jones, Peter Behrens, Carlo Bugatti, Mariano Fortuny, Loïe Fuller, Emile Gallé, Paul Gauguin, Karl Gräser, Josef Hoffmann, Gustav Klimt, Fernand Khnopff, René Lalique, Elena Luksch-Makowsky, Charles R. Mackintosh, Madame D`Ora, Louis Majorelle, Paula Modersohn-Becker, William Morris, Alfons Mucha, Richard Riemerschmid, Dante Gabriel Rossetti, Louis C. Tiffany, Henry van de Velde.
Jugendstil. Die grosse Utopie
17. Oktober 2015 bis 28. Februar 2016