Judy Ledgerwood. Lose Loos

Seit den 1980ern schafft Judy Ledgerwood Bilder und Wandmalereien, in denen dem Ornament und der Farbe eine vorrangige Rolle zukommt. Bewusst nimmt die Künstlerin dabei ihre eigene Verortung innerhalb der jüngeren Kunstgeschichte vor und fordert die hier vorherrschenden, vermeintlich fixen Prämissen und Rollenzuweisungen heraus. Einflüsse aus der weitgehend männlich dominierten Farbfeldmalerei und der gestischen Abstraktion verbindet sie mit einfachen, geometrischen Mustern, die der Populärkultur und dem weiblich besetzten Textildesign nahe stehen. So findet sie zu ihren genuinen, farbstarken Bildlösungen, die das Ornament selbstbewusst als künstlerisches

Unter dem Titel "Lose Loos" nimmt Judy Ledgerwood in ihrer für Häusler Contemporary Lustenau konzipierten Schau konkret Stellung zu diesem wichtigen Aspekt ihres Schaffens. Adolf Loos hatte 1908 in seiner berühmten Schrift "Ornament und Verbrechen" das Ornament als nicht mehr zeitgemäss, als Vergeudung, ja Schändung von Material und Arbeitskraft bezeichnet. Judy Ledgerwood hingegen erkennt das Ornament als einzigartige Möglichkeit, den Betrachter zu aktivieren. Die Empathie des Betrachters wird besonders geweckt, wenn ein Formelement einen Bezug zum menschlichen Körper herstellt. Dies ist im sogenannten Vierpass der Fall – vier kleeblattartig aneinander gefügte Kreise um ein rundes Zentrum – wie er in vielen Werken in Lustenau zu sehen ist. Für C. G. Jung symbolisierte diese Form die vier wesentlichen Eigenschaften des Menschen – Wahrnehmen, Fühlen, Denken, Wissen –, die wie ein Mandala zentral um das Sein angeordnet sind. In früheren Arbeiten wie "April Sun" hat Judy Ledgerwood den Vierpass oft seriell ins Bild gesetzt. Bei jüngeren Werken nimmt das Motiv als einziges Element die ganze Bildfläche ein. Das Zentrum ist dabei mal strahlend gelb ausgefüllt wie in "Lotus Milk", mal besteht es aus einem roten Kreis wie in "Brass Monkey", und in "Aurem" ist die Kompositionen aus Quadraten statt Rundformen gebildet. Der Bezug zum Wesen des menschlichen Seins – physisch und psychisch – bleibt stets bestehen. Der zweite, wesentliche Aspekt, mit dem die Künstlerin den Betrachter zu aktivem Sehen anregt, ist die Farbe, die sie in ihrer ganzen Palette und oft kontrastierend einsetzt, wodurch die Formen scheinbar in Bewegung versetzt werden. Auch die Farbe wurde von Loos und zuvor schon von Denkern wie Aristoteles oder Rousseau als oberflächlich und daher als minderwertig gegenüber der Form betrachtet. Ledgerwood hingegen bekennt immer wieder Farbe und sieht sie als eigenständiges Element unseres kulturellen Ausdrucks. Farbe ist für sie nicht nur aufgetragenes Material, Farbe selbst ist Inhalt und Form. Leuchtende Blau- und Violett-Töne stehen spannungsreich im Verbund mit Rot, Gelb oder Gold. Bei "Ga-Ga" wird der Farbauftrag zum Relief, ebenso in den Enkaustikbildern wie etwa "Kerala", bei denen die Künstlerin Pigmente mit geschmolzenem Wachs auf den Bildträger setzt. Die Komposition ist so teilweise von den spezifischen Eigenschaften des flüssigen Wachses bestimmt, das fertige Bild scheint in stetem Fliessen begriffen. Der Betrachter erlebt die Farbe als etwas Lebendiges, das selbst Form annimmt und einen Dialog mit dem Gegenüber eröffnet. Judy Ledgerwoods ist Professorin für Kunsttheorie & Praxis an der Northwestern University in Chicago. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Einzelausstellungen in den USA gezeigt und durch Häusler Contemporary auch dem europäischen Publikum zugänglich gemacht. Werke der Künstlerin sind unter anderem in der Sammlung des Metropolitan Museum of Art, New York, des Art Institute of Chicago, des Museum of Contemporary Art in Chicago und Los Angeles vertreten.
Judy Ledgerwood. Lose Loos 28. März bis 11. September 2015