John Bock. Filme

John Bock ist in erster Linie für seine spektakulären, komisch-grotesken Aktionen bekannt, in denen sich Theater, Vorträge, Video, Installation und Skulptur in einzigartiger Weise durchdringen. In den letzten Jahren rückt das Medium Video zunehmend in den Vordergrund und löst sich von den performativen Vorträgen.

Von rasant geschnittenen Kurzvideos ist Bock in jüngster Zeit zu deutlich längeren und narrativeren Filmen übergegangen, in denen er mit Schauspielern arbeitet und reale Kulissen nutzt, die er mit seinem eigenen Universum infiltriert. Wie in seinen Liveauftritten zelebriert er auch hier eine bunte, gleichermaßen hintergründige wie absurde Welt, die von zahllosen biografischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Bezügen durchsetzt ist, sich einer rationalen Deutung aber entzieht. Eine Ausstellung in der Frankfurter Schirn konzentriert sich nun erstmals auf die genuin filmischen Arbeiten John Bocks und präsentiert sechs Filme und Videos aus den Jahren 2001 bis 2006 sowie den eigens für die Schirn produzierten Film »Palms«, eine in Los Angeles gedrehte Mischung aus Roadmovie und Gangsterfilm.

Seit den frühen 1990er Jahren hat John Bock mit von ihm so benannten »Vorträgen« auf sich aufmerksam gemacht, in denen er in Anlehnung an akademische Vorlesungen die Zusammenhänge von Kunst und ökonomischer Theorie reflektiert. Davon ausgehend hat er unter Verwendung von einfachen, alltäglichen Objekten und Materialien wie Holz, Stoff, Draht, Watte, Zahnpasta, Rasierschaum, Putzmitteln oder Lebensmitteln, die er auf ungewöhnliche Weise behandelt und kombiniert, im Lauf der Zeit immer komplexere raumgreifende Installationen geschaffen, die ihm bei seinen Aktionen als Bühne dienen und anschließend im Ausstellungsraum verbleiben. Immer wieder spielt dabei auch das Medium Video eine Rolle: Der Künstler hat seine Aktionen mit der Kamera dokumentiert und das entstandene Video in seine Installationen integriert oder Teile seiner Liveauftritte filmisch übertragen.

2001 realisierte John Bock mit »Porzellan-Isoschizo-Küchentat des neurodermitischen Brockenfalls im Kaffeestrudel« sein erstes eigenständiges Video, das sich deutlich von den gefilmten Performances unterscheidet. Die kaum zwei Minuten lange surreal anmutende Aktion für die Kamera zeigt den Künstler in seiner Küche im Kampf mit einer aus den Fugen geratenen Welt von animierten Lebensmitteln. In Referenz auf den Wiener Aktionismus bedient sich Bock einer radikalen Schnitttechnik, welche die Aktion erst aus der filmischen Montage hervorgehen lässt und mit ihrem rasanten Tempo gezielt die Wahrnehmung überfordert. Neben dem Küchenfilm entstand eine ganze Reihe von kurzen kruden, stakkatoartig montierten Videos, die sich durch ihren grotesken Witz und eine außergewöhnliche visuelle Kraft auszeichnen. So etwa der Film »Boxer« (2002), der ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist.

Mit »Gast«, einem auf den ersten Blick einfachen »Homemovie«, schuf John Bock 2004 seinen vielleicht persönlichsten Film. Ein Hase hoppelt durch ein helles Zimmer. Hier frisst er etwas, dort entdeckt er etwas, hier bleibt er plötzlich stehen, dort hebt er den Kopf und macht sich im nächsten Moment wieder davon. Gezeigt wird die Welt ganz aus der Perspektive des Hasen: Die Wohnung ist längst ein vertrauter Raum, in dem sich das Tier ganz offensichtlich pudelwohl fühlt – kein Wunder, denn es ist hier nicht »zu Gast«, wie der Titel des Films suggeriert, sondern zu Hause. John Bock wird hier zum unbefangenem Lebensforscher, der Spuren unserer Zivilisation, ob vom Menschen oder vom Tier, im experimentellen Prozess so zusammenbringt, dass sich alles wendet: Oben und Unten werden vertauscht, das Nahe rückt in die Ferne, das Tierische trägt menschliche Züge, das vertraute Zuhause wird fremd.

In den letzten drei Jahren entstanden deutlich längere und technisch zunehmend aufwändigere Videos und Filme von mehr und mehr spielfilmhaftem Charakter. Der Künstler begann mit professionellen Schauspielern wie Anne Tismer und Lars Rudolph in »Meechfieber« oder Anne Brochet in »Salon de Beton« zusammenzuarbeiten und immer komplexere Szenarien zu entwerfen. Mithilfe der Kamera verlegt er seine Bühne oft an entlegene Orte – etwa den heimischen Bauernhof in Norddeutschland, einen Bunker, ein Schloss im Südwesten Frankreichs oder die kalifornische Wüste –, um ausgehend von realen Kulissen sein eigenes Universum zu schaffen. Ohne einer kohärenten Erzählung zu folgen, greift er in den jüngsten Arbeiten zunehmend narrative Elemente auf und reflektiert dabei immer wieder etablierte filmische Genres wie zum Beispiel den Heimat- oder, wie bei »Dandy«, den Historienfilm.


Katalog: »John Bock. Filme«. Hg. von Esther Schlicht und Max Hollein. Mit einem Vorwort von Max Hollein, einem Interview mit John Bock und Texten von Robin Curtis, Massimiliano Gioni, Joachim Jäger, Detta von Jouanne, Andreas Schlaegel, Georg Seeßlen und Ian White. Deutsch-englische Ausgabe, ca. 160 Seiten, ca. 200 farbige Abbildungen, Verlag der Buchhandlung Walther König, ISBN 978-3-86560-252-7, 25,– EUR.

John Bock. Filme
7. Juni bis 23. September 2007