Joannis Avramidis zum 90. Geburtstag

Im September 2012 begeht Joannis Avramidis seinen 90. Geburtstag. Der Sohn griechischer Eltern wurde in Georgien geboren und kam 1943 über Griechenland nach Wien. Als Schüler und später als Lehrer an der Akademie der bildenden Künste Wien wurde er zu einem Protagonisten moderner Plastik, der den menschlichen Körper und dessen Struktur als Maß der abstrakten Figuration begriff. Von 1968 bis 1992 führte Joannis Avramidis als Professor eine Meisterklasse für Bildhauerei an der Akademie.

Die Formensprache von Avramidis beruht auf geometrischen Konstruktionen. Zum Teil ist ein fließendes Band das Grundelement, zum Teil sind es linealgerade Umrisse. In der Abstraktion und den klar definierten Achsen behalten die Figuren den Bezug zur Form des menschlichen Körpers. Die Kunstgeschichte ist für den Meister besonders in der Auseinandersetzung mit zwei Epochen fruchtbar: der griechischen Klassik und der frühen Renaissance.

Das Kunsthistorische Museum zeigt zu Ehren von Joannis Avramidis eine Auswahl von Skulpturen und graphischen Arbeiten, die in der Antikensammlung in einen unmittelbaren Dialog mit den Originalen des griechischen und römischen Altertums treten. Der "Schreitende", an dem die Beine in den Rumpf verlängert werden und ihn mitsamt den Schultern vereinnahmen, erinnert an die strenge Auffassung des Menschenbildes in der späten Archaik und frühen Klassik. In der Skulptur des polykletischen "Speerträgers" der Antikensammlung ist das theoretische Konstruktionsprinzip des menschlichen Körpers aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. jenem der modernen Kunst gegenübergestellt. Beiden gemeinsam ist das Streben nach Klarheit und Gesetzmäßigkeit, die Schönheit der Körper drückt sich in ihrem Ebenmaß aus.

Die "Polis", die vor dem Kunsthistorischen Museum am Maria Theresien-Platz zu sehen sein wird, ist ein homogener, variantenreicher Kollektivkörper, der durch das Ineinanderfließen individueller und doch einstimmiger Teile das Ideal der polis als Gemeinwesen ausdrückt. Ein "Kopf", dessen Linien und Kurven nicht auf die Bewältigung der Körpermassen abzielen, sondern deren Bedeutung umschreiben, steht in der Antikensammlung römischen Porträts gegenüber.

Den Skulpturen von Joannis Avramidis liegen stets graphische Arbeiten zugrunde. Studien und Aktzeichnungen werden abstrahiert und leiten so zur linearen Auffassung der Skulpturen über. Die Konstruktion der Linien und Kurven, die in komplexer Weise das Volumen des "Trojanischen Pferdes" definieren, ist als Graphik dem plastischen Original einer Aluminiumkonstruktion gegenübergestellt. Die Kunstwerke wurden gemeinsam mit Joannis Avramidis ausgewählt und sind in den Sälen der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums zu sehen.

Joannis Avramidis zum 90. Geburtstag
19. September bis 4. November 2012