Italowestern beim Filmfestival Innsbruck

Unter dem Titel "Western all´italiana" zeigt das Filmfestival Innsbruck zehn Italowestern, darunter neben Klassikern wie "Spiel mir das Lied vom Tod" und "Für eine Handvoll Dollar" auch weniger bekannte Werke wie Sergio Sollimas "Faccia a Faccia" oder Carlo Lizzanis "Requiescant - Mögen Sie in Frieden ruh´n". Abgerundet wird die Reihe durch einen Dokumentarfilm über das Genre und eine Podiumsdiskussion mit dem Titel "Von Angesicht zu Angesicht mit dem Italowestern".

Während in den USA in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts kaum mehr Western gedreht wurden, erlebte dieses amerikanische Genre in Europa eine kurze Blüte. Stilbildend wurde dabei die italienische Variante, in der der klassische Western nicht nur persifliert, sondern auch konsequent weiter getrieben wurde.

Den amerikanischen Western kennzeichnet die Utopie, der Traum von einer neuen und besseren Gesellschaft im noch zu kultivierenden Grenzland. Nicht zuletzt in seiner Orientierung auf die Zukunft und dem daraus resultierenden Optimismus ist dies das amerikanische Genre par excellence. Als Anfang der 60er Jahre dann aber praktisch alle Geschichten erzählt waren und die veränderte Gesellschaft mit der Verklärung der Pionierzeit nicht mehr viel anfangen konnte, kam das Genre in eine Krise. An die Stelle der strahlenden Helden traten im Spätwestern, zu dessen wichtigstem Vertreter Sam Peckinpah wurde, melancholische Abgesänge auf scheiternde Helden.

Gleichzeitig wurde dieses Genre, das bis dahin untrennbar mit den USA nicht nur als Schauplatz, sondern auch als Produktionsort verbunden war, in dieser Zeit von europäischen Filmemachern entdeckt. In Jugoslawien drehten deutsche Regisseure kommerziell sehr erfolgreiche Karl May-Verfilmungen und in Italien kam es zwischen 1962 und 1968 zu einer kurzen, aber intensiven Blüte des Italowestern. Am Beginn standen dabei "naive" Abenteuerfilme, die an die italienischen Sandalenfilme der frühen 60er Jahre anknüpften. Durch Amerikanisierung der Namen der Crew sollte dabei die Herkunft dieser Western verschleiert werden. Im Seriencharakter dieser Produktionen entwickelten sich archetypische Figuren, die das Genre kennzeichneten.

Der Held im Italowestern kämpft nicht für hehre Ziele, sondern ist ein eiskalter Egoist. Wie schon die Titel von Sergio Leones "Dollar-Trilogie" deutlich machen ("Für eine Handvoll Dollar", 1964; "Für ein paar Dollar mehr"; 1965; "Zwei glorreiche Halunken", 1966) geht’s ihm allein ums Geld. Wie sehr die namenlosen und wortkargen geheimnisvollen Fremden dieser Filme auf Typen reduziert sind, zeigt sich wiederum im Originaltitel von "Zwei glorreiche Halunken": "Il buono, il brutto, il cattivo".

Diese Anti-Helden resultieren aber wiederum aus einem dem amerikanischen Western entgegen gesetzten Gesellschaftsbild. Denn das Land ist im Italowestern schon erobert, doch der Traum von einer neuen Gesellschaft und Gemeinschaft hat sich nicht erfüllt. Profitgier und Kapitalismus haben sich durchgesetzt, in den schäbigen Kleinstädten kontrollieren Banden oder Unternehmer das Leben und der Held verkauft sich als Angestellter an den Meistbietenden. Es gibt keine Utopie und keine Hoffnung, die Stimmung ist resignativ.

Verstärkt wird die rudimentäre Figurenzeichnung durch Bildsprache und Musik. Wie in Comics wird mit Detailaufnahmen und extremen Zooms der Blick des Zuschauers gelenkt, wird mit Zeitlupe und Retardierungen der Showdown endlos gedehnt und ein Nichts zu einer großen Szene aufgeblasen. Nicht Stringenz und Understatement, sondern barocke Überhöhung, die durch die opernhafte Musik vielfach noch gesteigert wird, kennzeichnen nicht nur Sergio Leones epischen "Spiel mir das Lied vom Tod" (1968).

Im Archetypischen boten vor allem Sergio Corbuccis "Il grande silenzio" ("Leichen pflastern seinen Weg", 1968) und "Il mercenario" (1968) jede Menge Stoff für Interpretationen. Stellte Corbucci selbst eine Analogie zwischen dem stummen Revolverheld, der sich in "Il grande silenzio" in einer endlosen Schneewüste vom Kopfgeldjäger Loco hinrichten lässt, und Christus her, so kann in den revolutionären Träumern von "Il mercenario" ein Reflex auf die 68er Revolten gelesen werden.

In der resignativen Grundhaltung boten sich aber auch für das Genre keine Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Ab 1968 ebbte der Boom, abgesehen von Enzo G. Castellaris Nachzügler "Keoma" (1976), ab und wurde abgelöst von der Komödie. An die Stelle der zynischen Antihelden trat das Duo Bud Spencer und Terrence Hill, das den Helden- und Männlichkeitskult des Genres mit Filmen wie "Vier Fäuste für ein Halleluja" (E.B. Clucher, 1970) parodierte.