Inbegriff des Kraftmenschen: Zum 100. Geburtstag von Anthony Quinn

20. April 2015 Walter Gasperi
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Untrennbar mit "Alexis Sorbas" ist der Name Anthony Quinn verbunden. Doch nicht nur hier spielte der gebürtige Mexikaner einen vor Vitalität strotzenden Mann, sondern auch unter Regisseuren wie Federico Fellini, Elia Kazan und Vincente Minnelli. Am 21. April wäre der zweifache Oscarpreisträger 100 Jahre alt geworden.

Anthony Quinn wurde am 21. April 1915 mitten in den Wirren der Mexikanischen Revolution als Sohn eines Iren, der für Pancho Villa kämpfte, und einer 15-jährigen Mexikanerin geboren. In diese Zeit wird Quinn seine erste Oscar-Rolle zurückwerfen, denn 1951 spielte er in Elia Kazans "Viva Zapata!" an der Seite von Marlon Brando Eufemio Zapata, den Bruder des legendären Revolutionärs Emiliano Zapata.

Erst diese Rolle brachte Quinn den großen Durchbruch. Zuvor hatte er sich nach Jobs als Zeitungsjunge Schuh- und Fensterputzer als Bildhauer versucht, Architektur studiert und sich erst Mitte der 1930er Jahre der Schauspielerei zugewandt, obwohl er schon als Kinder-Darsteller in "Tarzan" mitgewirkt hatte.

Hollywood legte ihn rasch auf die Rolle von Mexikanern, Exoten und in über 50 Filmen auf Indianer fest. Letztere spielte er unter anderem in Cecil B. DeMilles Western "The Plainsman" (1936), bei dessen Dreharbeiten er DeMillies Tochter Katherine kennenlernte, die ein Jahr später seine Frau wurde, in William A. Wellmans "Buffalo Bill" (1943) und in Raoul Walshs Little-Big-Horn-Western "They Died With Their Boots On" (1942).

In "The Ox-Bow-Incident" (1943) setzte Wellman Quinn als Mexikaner ein, der der Lynchjustiz weißer Rancher zum Opfer fällt, in Richard Wallaces "Sinbad the Sailor" (1947) war er ein Emir. Philippinische Freiheitskämpfer spielte er ebenso wie chinesische Guerillakämpfer, war in Nebenrollen in Stierkämpferfilmen ebenso wie in Kriegsfilmen und im Piratenfilm "The Black Swan" (Henry King, 1942) zu sehen, ehe ihn Elia Kazan entdeckte.

In dessen Broadway-Inszenierung von Tennessee Williams "A Streetcar named Desire" gab er Quinn die Rolle des Stanley Kowalski, und dann die Oscar-Rolle in "Viva Zapata!". Sein Academy Award für die beste Nebenrolle war der erste Oscar für einen mexikanisch-amerikanischen Schauspieler überhaupt.

Der Durchbruch war damit gelungen und zu Genrefilmen kamen nun auch europäische Autorenfilme wie Federico Fellinis "La Strada" (1954). Mit dem "großen Zampano" schuf er in seinem kraftvollen Spiel, das oft auch Gefahr lief ins Outrieren abzugleiten, den Typus des südländischen Kraftmenschen, den er zehn Jahre später in der Nikos Kazantzakis-Verfilmung "Zorba the Greek" (Michael Cacoyannis, 1964) weiterentwickelte.

Seinen zweiten Oscar – wiederum für eine Nebenrolle – gewann er 1956 für seine Darstellung des Paul Gauguin in Vincente Minnellis Van-Gogh-Film "Lust for Life" (1956). Bei der Arbeit an dieser Rolle entdeckte er auch die Bildende Kunst, die zu seiner zweiten großen Passion wurde. Beeinflusst von den abstrakten Bildern Picassos schuf er zahlreiche Gemälde, die in den 1980er Jahren in verschiedenen Gallerien in New York, Los Angeles, Paris und Mexico City ausgestellt wurden.

Weiterhin blieb er freilich auf "exotische" Figuren festgeschrieben, spielte den verkrüppelten Glöckner von Notre Dame ("Notre-Dame de Paris"; Jean Delannoy, 1956) ebenso wie einen osteuropäischen Papst ("The Shoes of the Fisherman", Michael Anderson, 1968), den Mongolenfürsten Kublai Kahn ("La fabuleuse aventure de Marco Polo", Denis de la Patélliere, 1965), den Onkel des Propheten Mohammed ("Mohammed – Der Gesandte Gottes", Moustapha Akkad, 1976), den Hohepriester Kaiphas in Franco Zeffirellis TV-Vierteiler "Jesus von Nazareth" (1977) oder den libyschen Freiheitskämpfer Umar al-Muchtar, den die italienischen Kolonialherren 1931 hinrichten ließen ("Omar Mukhtar – Löwe der Wüste"; Moustapha Akkad, 1979).

Die Rolle des Alexis Sorbas verfolgte ihn aber förmlich. Im Broadway-Musical "Sorbas" spielte er 1985 nochmals diese legendäre Figur und variierte sie in der Verkörperung des griechischen Reeders Aristoteles Onassis für den Kinofilm "The Greek Tycoon" ("Der große Grieche"; J. Lee Thompson, 1977) sowie den Fernsehfilm "Onassis: The Richest Man in the World" (1988).

Unter den 167 Titel, die die International Movie Data Base für Anthony Quinn auflistet, finden sich aber auch zahlreiche Gangsterrollen und der Mime hatte auch selbst Kontakt zum New Yorker Mafia-Boss Frank Costello. Wie sein Alexis Sorbas hat er das Leben in vollen Zügen genossen, war dreimal verheiratet und zeugte 13 Kinder, die letzten im Alter von 68 und 71 Jahren, ehe er am 3. Juni 2001 in Boston an einer Lungenentzündung verstarb.

Ausschnitt aus Federico Fellinis "La strada"