19. Februar 2015 - 4:30 / Walter Gasperi / DVD Tipp
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Die junge Polin Ewa immigriert 1921 in die USA, doch die Vorstellung vom "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" und der Traum vom Glück entpuppen sich rasch als Täuschung. James Grays mit Marion Cotillard und Joaquin Phoenix großartig besetztes und bestechend gefilmtes Melodram kam in den deutschsprachigen Ländern nie in die Kinos, ist nun aber bei Universum Film auf DVD und Blu-ray erschienen.

Das Traumland schlechthin waren die USA im 19. und frühen 20. Jahrhundert für viele Europäer. Chaplins "The Immigrant" (1917) erzählt ebenso davon wie Elia Kazan in "America, America" ("Die Unbezwingbaren", 1963) am Beispiel eines jungen Griechen, Jan Troell in "Utvandrarna" ("Die Auswanderer / Emigranten", 1969-71) am Schicksal schwedischer Bauern und Emanuele Crialese in "Nuovomondo" ("Golden Door", 2006) anhand sizilianischer Bauern.

Die Beschwerlichkeit der Überfahrt nimmt dabei meist viel Platz ein und episch breit ist die Erzählung angelegt. James Gray dagegen lässt seinen Film mit einem Blick auf die New Yorker Freiheitsstatue beginnen und stellt damit schon die Freiheit als zentrales Thema seines Films vor.

Statt episch breit zu erzählen konzentriert sich Gray auf das Schicksal der jungen Polin Ewa (Marion Cotillard), die nach dem Ersten Weltkrieg mit ihrer Schwester in den USA ein neues Glück finden will. Doch schon an der Einwanderungsstelle auf Ellis Island werden sie getrennt, denn Magda wird wegen einer Lungenkrankheit die Einreise verweigert und in die Krankenstation gesteckt. Auch Ewa will man, da sie kein Geld hat und sich während der Überfahrt moralisch fragwürdig verhalten haben soll, abschieben.

Ausführlich und detailgenau schildert Gray die erniedrigende Aufnahmeuntersuchung und kann damit durchaus Assoziationen zu heutigen Flüchtlingsschicksalen wecken. Solche möglichen Gegenwartsbezüge werden aber nicht forciert. Auch auf alle Modernismen verzichtet der 46-jährige Regisseur und erzählt ausgesprochen klassisch.

Der Abschiebung entgeht Ewa nur, weil der New Yorker Bruno (Joaquin Phoenix) die Einwanderungsbeamten besticht und ihr so die Einreise ermöglicht. Hintergedanken verfolgt er damit freilich, hat er doch sogleich bemerkt, dass Ewa alles tun wird, um Geld für die Einreise ihrer Schwester aufzutreiben. So muss Ewa bald nicht nur in Brunos "Theater" als leichtbekleidete "Miss Liberty" vor einer Horde Männer auftreten, sondern sich auch an zahlungskräftige Kundschaft verkaufen. Als Brunos Cousin (Jeremy Renner) auftaucht und sie aus dieser Situation befreien will, kommt es zum Konflikt zwischen den beiden gegensätzlichen Männern...

Bestechend evoziert James Gray mit Kameramann Darius Khondji und Production Designer Happy Massee in sepiabraunen Bildern die Atmosphäre der tristen Wohnungen und des schmuddeligen Theaters. Mögen Licht und Farben dabei auch Wärme vermitteln, die Härte des Auswandererschicksals, zu dem den Regisseur die Geschichte seiner Großeltern inspirierte, wird nie verharmlost.

Doch Gray will mit seinem fünften Film, in dem er wie in seinem gefeierten Debüt "Little Odessa" (1996) von osteuropäischen Immigranten erzählt, in erster Linie keinen sozialkritischen Film vorlegen, sondern vielmehr ein Melodram klassischen Zuschnitts.

Mit einer großartigen Marion Cotillard in der Hauptrolle, die mit ihrer Krone als Miss Liberty Assoziationen an die Dornenkrone Christi wecken kann, erzählt er die Leidensgeschichte einer Frau, die den Glauben an das Glück und die Freiheit trotz bitterer Erfahrungen nicht aufgibt und unermüdlich dafür kämpft.

Gleichzeitig verleiht aber auch Joaquin Phoenix Bruno Tiefe und Ambivalenz, denn dieser Ausbeuter, den seine Mädchen durchaus schätzen, weil er sie vor schlimmerem Schicksal bewahrt, verliebt sich langsam und heimlich in Ewa. Wenn er schließlich von ihrem Schicksal gerührt wird, kommen so auch Fragen von Schuld und Vergebung ins Spiel.

So virtuos wie Todd Haynes in "Far from Heaven" gelingt es Gray zwar nicht die Muster und Erzähltechniken des klassischen Hollywood-Melodrams in die Gegenwart zu übertragen, souverän erzähltes, atmosphärisch stimmiges und – sofern man sich darauf einlässt - hochemotionales und bewegendes Kino bietet "The Immigrant" aber dennoch.

An Sprachversionen verfügen die bei Universum Film erschienenen DVD und Blu-ray über die englische Original- sowie die deutsche Synchronfassung und zudem über deutsche Untertitel für Hörgeschädigte. Die Extras beschränken sich leider auf den Trailer und eine Trailershow zu weiteren bei Universum Film erschienenen Titeln.

Trailer zu "The Immigrant"



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