Als Porträtmalerin verstand es Angelika Kauffmann (1741–1807) nicht nur, die Gesichter und die Persönlichkeit von Menschen einzufangen, sondern bewies auch ein sicheres Gespür für Mode. Mit Bildnissen eleganter Frauen in antikisierenden oder orientalischen Gewändern und feinsinniger Männer im historischen Van-Dyck-Kostüm traf sie den Zeitgeschmack und setzte Trends. Gleichzeitig führte sie mit der gekonnten Wiedergabe kostbarer Stoffe und des Faltenwurfs ihr malerisches Talent vor Augen. Anhand von Gemälden, Zeichnungen, Druckgrafiken und textilen Objekten zeigt die Ausstellung die enge Verbindung von Kunst und Mode im Schaffen von Angelika Kauffmann auf, die mit ihren Bildern – am Übergang vom Rokoko zum Klassizismus – selbst zur Stilikone wurde. Unter den ausgestellten Werken befindet sich auch Kauffmanns berühmtes Selbstbildnis in Bregenzerwälder Tracht von 1781, das erstmals seit vielen Jahren wieder in Schwarzenberg zu sehen ist.
Die Porträtgemälde von Angelika Kauffmann sind faszinierende Zeugnisse der Modegeschichte. Sie dokumentieren eine Ära der kulturellen und politischen Umbrüche, geprägt durch die Aufklärung, den internationalen Handel, Reisen, technologischen Fortschritt und nicht zuletzt außereuropäische Einflüsse. Als begehrte Porträtmalerin entwarf Kauffmann das öffentliche Bild zahlreicher Persönlichkeiten ihrer Zeit. Die Kleidung war dabei ein wesentlicher Teil der Inszenierung und erlaubte es der Künstlerin, über die rein optische Ähnlichkeit hinausgehend, Aussagen über den Charakter, die Weltgewandtheit, die Bildung, den gesellschaftlichen Stand und den distinguierten Geschmack der Porträtierten zu treffen. Wer sich von ihr malen ließ, konnte sich sicher sein, von Kopf bis Fuß in einem ganz dem Zeitgeist entsprechendem Look zu erscheinen. In den von Kauffmann bevorzugt gemalten figurumspielenden Kleidern aus weißen, halbtransparenten Stoffen mit hoher Taille fließen Antike und Orient ineinander und kommt der Wunsch nach der Befreiung des weiblichen Körpers von den Zwängen der gängigen Mode zum Ausdruck. Nach der Französischen Revolution ebnete diese in den Bildern Kauffmanns vorbereitete Ästhetik den Weg für die klassizistische Kleidung und die Mode à la grecque im frühen 19. Jahrhundert.
Trendsetterin
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde Mode erstmals zu einem popkulturellen Phänomen. Diese Entwicklung hing eng mit dem rasanten Aufstieg des Bürgertums zusammen und fand in London – der damals modernsten und reichsten Stadt der Welt mit ihren öffentlichen Parks, Einkaufsstraßen, Theatern, Bällen und Zeitschriften – einen idealen Nährboden. Porträtgemälde spielten dabei eine bedeutende Rolle. Sie dominierten die jährlichen Ausstellungen der Royal Academy und fanden als Druckgrafiken weite Verbreitung. Zur selben Zeit wuchs der globale Einfluss Großbritanniens durch Handel, Reisen und koloniale Expansion stetig. Aus der Ferne fanden wertvolle Rohstoffe, exotische Lebensmittel, innovative Konsumgüter und fremde Kleidungsstile ihren Weg zurück in die Heimat. Vor allem vom Orient ging eine große Faszination aus. Mit Genreszenen türkischer Frauen und Rollenporträts englischer Damen im türkischen Kostüm war Angelika Kauffmann am Puls der Zeit. Sie folgte den neuesten modischen Trends und trug mit ihren Bildern teilweise auch selbst zu deren Verbreitung bei. So ließen sich etwa vornehme Damen wie die junge Anne Robertson, Lady Henderson of Fordell, bevorzugt in fließenden, weiten Roben im antikisierenden Stil porträtieren, während bei den jungen Gentlemen die nach dem in England damals wieder in Mode gekommenen berühmten flämischen Porträtmaler benannte Van-Dyck-Kleidung mit dem charakteristischen weißen Spitzenkragen sehr beliebt war. Mit der tatsächlichen Alltagskleidung hatte das oft nur wenig zu tun. Vielmehr handelte es sich um eine Art Rollenspiel, wie es sich damals nicht nur in der Kunst, sondern auch in Erscheinung des Maskenballs sowie im Medium des Theaters größter Popularität erfreute. Sich in bestimmter Weise gekleidet malen zu lassen, bedeutete in erster Linie eine bestimmte Geschichte über sich erzählen zu wollen. Dies traf ebenso auf die vielen Selbstbildnisse von Angelika Kauffmann zu, in denen sie mittels Kleidung, Schmuck und Frisur ihre Herkunft, Identität und gesellschaftliche Stellung thematisierte und die verschiedenen Stationen ihres Lebens und ihrer Karriere reflektierte. Im verspielten Rokoko-Gewand porträtierte sie sich im Alter von zwölf Jahren erstmals selbst – modisch up to date in einem festlichen, an der französischen Mode orientierten Kleid.
Selbstbildnis in Bregenzerwälder Tracht
Angelika Kauffmann stellte sich mehrmals in der traditionellen Frauentracht des Bregenzerwalds dar, der Heimat ihres Vaters, die auch zeitlebens zu ihrer imaginären Heimat wurde. Die regionale Volkstracht ist eine Kleidung, die wie keine andere mit Vorstellungen von der Zugehörigkeit zu einem Land, seinen Menschen, seiner Geschichte und Kultur sowie mit Fragen der eigenen Identität verbunden ist. Am Höhepunkt ihrer Karriere und unter dem Eindruck ihres zweiten Aufenthalts in Schwarzenberg entstand im Jahr 1781 mit dem „Selbstbildnis in Bregenzerwälder Tracht“ Angelika Kauffmanns berühmtestes Selbstporträt, das heute einen festen Platz im kollektiven Gedächtnis Vorarlbergs einnimmt. Mit dem kokett aufgesetzten, schwarzen Filzhut und der zarten, weißen Bluse erlaubte sie sich modische Freiheiten. Ein Trachtenbildnis aus jüngerer Zeit und die ausgestellte Tracht zeigen, dass auch die Trachtenmode im stetigen Wandel begriffen ist und sich seither in Farbe und Form verändert hat.
Historische Stoffe
Mit großformatigen Historien war Kauffmann auch in der höchsten Malereigattung ihrer Zeit erfolgreich. Sie interessierte sich besonders für die weiblichen Figuren der Mythologie und wählte Szenen als Motive aus, in denen diese im Mittelpunkt stehen. Kleider und kunstvoll drapierte Stoffe übernehmen dabei oft eine tragende gestalterische und inhaltliche Funktion, während die Künstlerin mit der Wiedergabe der Texturen, des Faltenwurfs und der Farben gleichzeitig ihr malerisches Können zur Schau stellte. Der Faltenwurf – die Kunst der Anordnung und Formgebung des Gewandes – galt seit jeher als eine der schwierigsten Aufgaben in der Kunst und war deshalb auch immer ein wesentlicher Teil der Ausbildung angehender Künstlerinnen und Künstler. Auch von Angelika Kauffmann haben sich zahlreiche Gewandstudien erhalten, die sie während ihrer Lehrjahre oder in Vorbereitung konkreter Bildvorhaben anfertigte. Anhand dieser Studien lassen sich grundlegende zeichnerische und malerische Problemstellungen rund um die Darstellung von Licht und Schatten, Fläche und Raum, Statik und Bewegung ebenso thematisieren wie das Wechselspiel zwischen Verbergen und Zeigen, Verhüllen und Enthüllen, das vor allem in Kauffmanns Historiengemälden eine große Rolle spielt. Ein künstlerischer Gastbeitrag des in Wien lebenden und in Schwarzenberg aufgewachsenen Malers Drago Persic (*1981 in Banja Luka, Bosnien-Herzegowina) greift das Thema auf und schlägt eine Brücke zur Gegenwart. Stoffe und Gewänder werden in seinen neuesten Arbeiten zum Vehikel für die Untersuchung von Farbnuancen, Schattierungen, historischen Pigmenten und Maltechniken.
Im Gewand.
Angelika Kauffmann und die Mode
1. Mai bis 2. November 2025