Im Eisland

7. Januar 2017 Bernhard Sandbichler
Bildteil

Am 19. Mai 1845 brechen zwei Schiffe der Royal Navy vom Themse-Hafen Greenhithe zu einer ehrgeizigen Forschungsexpedition in die Arktische See auf - und bleiben verschollen. Kristina Gehrmann erzählt ihre Geschichte in ihrer Debüt-Graphic-Novel und erhielt dafür den Deutschen Jugendliteratur-Preis als bestes Sachbuch 2016.

1. Die Story: Sir John Franklin, Polarforscher, leitet die Mission, deren Ziel es ist, die sagenumwobene Nordwestpassage zwischen Atlantik und dem Pazifik zu finden. Es galt, ein geografisch unerforschtes Labyrinth aus Inseln und Eisschollen zu durchpflügen, um nicht nur eine kürzer Handelsroute, sondern darüber hinaus auch noch jungfräuliches Land für die britische Krone zu sichern. Im Juli 1845 werden die Schiffe zum letzten Mal von Walfängern an der Einfahrt zur Nordwestpassage gesichtet. Der arktische Restsommer ist zu kurz, als dass die Lösung innert dieser Zeit zu finden wäre. In einer Bucht der Beechey-Insel muss überwintert werden. Es gibt zwar Vorräte für drei Jahre, aber die Feinde lauert im Mief der Unterdecks: aggressive Tuberkeln, psychische Überspanntheit, Trübsal und Langeweile.

2. Die HeldInnen: Franklin - das ist der berühmte "Mann, der seine Stiefel aß" - ein erstklassiger Kenner der Polarregion, ein genau beobachtender Wissenschaftler und Mitglied der Royal Society; kurz: ein Held, wie ihn sich das viktorianische England gern ausmalte. Dass Inuits nach dem Unglück darüber berichten, wie sie auf ausgezehrte Gestalten stießen, die einander kannibalisierten? Gehrmann geht es natürlich nicht um Heldenverehrung; sie zeigt uns eine menschliche Palette vom Schiffsjungen bis zum Oberkommandanten und verwebt historisches Detailwissen geschickt mit den Lebenswelten ihrer Figuren.

3. Der Sound: Dass Christina Gehrmann selbst eine große Comic-Leserin ist, merkt man. Ihre Dialogszenen "Im Eisland" verleihen Sir John Franklins historischem Scheitern eine Lebendigkeit, in der menschliche Wärme ebenso wie die gnadenlose Kälte des Packeises spürbar werden.

4. Coole Bilder: Die am Computer und Grafiktablett entstandene Geschichte wirkt wie mit Feder und Tusche gezeichnet. Sie fesselt mit filmischem, von japanischer Manga-Kultur beeinflusstem Lesefluss sowie ebensolchen Dialogen. Gehrmanns malerischer, detailverliebter Stil ist hingegen von ihrer Ausbildung an der Angel Academy of Art für klassische Malerei in Florenz geprägt. Allerdings wirken ihre gedrungenen Figuren etwas ungelenk.

5.+6. Coole Wörter? + zum Nachdenken: "Through many dangers, toils and snares, I have already come; "Tis grace that brought me safe thus far, And grace will lead me home."

7. Der Autor: Christina Gehrmann war nach eigener Auskunft von dieser Geschichte so besessen, dass sie daraus eine Graphic Novel zeichnen musste. Das Thema war ihr derart ein Anliegen, dass sie es auch noch um einen Erwachsenen-Band - "Eskapaden im Eisland" - erweitert hat.

8. Die Bücher: Kristina Gehrmann: Im Eisland. Bd. 1: Die Franklin-Expedition, 224 Seiten - Bd. 2: Gefangen, 224 Seiten - Bd. 3: Verschollen, 272 Seiten. Rostock: Hinstorff Verlag 2015/16