Ichundichundich

Pablo Picasso war nicht nur ein großer Künstler, sondern auch ein Meister der Selbstinszenierung. Sein Antlitz ist mindestens ebenso bekannt wie sein herausragendes Oeuvre. Alle bedeutenden Porträtisten des 20. Jahrhunderts haben Picasso fotografiert – einige dieser Porträts besitzen inzwischen geradezu ikonischen Charakter. Das Museum Ludwig präsentiert mit der Ausstellung "Ichundichundich. Picasso im Fotoporträt" rund 250 Aufnahmen von Künstlern wie Richard Avedon, Cecil Beaton, Henri Cartier-Bresson, Lee Miller oder Man Ray.

Erstmals stellt damit eine Ausstellung die Frage nach dem Spannungsverhältnis zwischen Picassos Wunsch nach kontrollierter Selbstdarstellung und den gestalterischen Ansprüchen seiner Fotografen. Internationale Leihgaben und rund 40 zentrale Werke aus der Sammlung des Museum Ludwig erlauben dazu einen umfassenden Überblick.

Vom Beginn des 20. Jahrhunderts, als Pablo Picasso das Leben eines Bohemiens in Montparnasse führte, bis hin zu seinen späten Jahren in Südfrankreich reicht die zeitliche Spannbreite dieser groß angelegten Überblicksausstellung. Klassische Porträts und komponierte Atelierszenen stehen dabei neben Schnappschüssen und zum Teil sehr privaten Aufnahmen. Früh erkannte Picasso die Möglichkeiten des Mediums Fotografie, arbeitete selbst mit ihm, verstand es aber vor allem wirksam zum Aufbau seines Personenkults zu nutzen. Wohl kalkuliert – so scheint es – transportieren die fotografischen Bildnisse das Image des leidenschaftlichen, willensstarken und virilen Künstlers.

Doch nicht immer dominiert die strategische Inszenierung Picassos die Werke. Auf kluge Weise versteht es die Ausstellung, die sehr individuellen Handschriften der Fotokünstler zu präsentieren und gleichzeitig das spannungsreiche Verhältnis zwischen Picasso als Auftraggeber und dem jeweiligen künstlerischen Streben nach Autonomie und Originalität offenzulegen. Auffallend häufig pflegte Picasso intensive Beziehungen mit seinen Fotografen und ließ eine gewisse Intimität und Nähe zu. Auf diese Weise entstanden Bilder, die den Künstler immer wieder auch in ungewohnten und berührenden Momenten einfangen. Und so ist die Liebe Picassos zur Fotografie nicht nur reine Außenschau, sondern schafft ihm auch eine besondere Möglichkeit der Innensicht, des Blicks auf die eigene Person. Das Gedächtnis- und Erinnerungsmedium Fotografie war dem Künstler zum Zwecke des Selbststudiums stets näher als der Blick in den Spiegel.

Die sieben Fotografinnen der Ausstellung provozieren außerdem die Frage nach dem weiblichen Blick auf Picasso: Was geschieht, wenn eine Frau das Bild Picassos schafft? Gibt es eine Differenz zwischen weiblichem und männlichem fotografischen Blick? Die Porträts der Künstlerinnen bezeugen sehr eindrücklich ihre ganz unterschiedlichen Beziehungen zum Porträtierten. Lee Miller etwa fotografierte den Künstler über einen Zeitraum von 36 Jahren, erstmals im Sommer 1937, in dem die beiden sich kennenlernten. Der mit Picasso beinahe gleichaltrigen Mme d’Ora gelingt eine ungewöhnlich gelöste Aufnahme des Künstlers; Dora Maar dagegen – langjährige Geliebte Picassos – zerkratzt das Negativ einer frühen Aufnahme und schafft ihm so eine Art düsteren Heiligenschein. Der Kopf Dora Maars ist es dann auch, der immer wieder in den unterschiedlichsten Aufnahmen zu sehen ist: Die von Picasso 1941 geschaffene Skulptur begleitete den Künstler jahrelang. Heute zählt der Gipskopf zur Sammlung des Museum Ludwig.

Um eben jene Korrespondenzen und mannigfaltigen Bezüge sichtbar zu machen, präsentiert das Museum Ludwig seine bedeutende Picasso-Sammlung im Zusammenhang mit der Ausstellung "Ichundichundich. Picasso im Fotoporträt" neu. Diese besondere Situation erlaubt eine ungewöhnliche Begegnung der Werke Picassos in ihrer fotografischen Reproduktion und originalen Erscheinung. Das Museum Ludwig zeigt damit einen ebenso umfassenden wie ungewöhnlichen Überblick, der die schillernde Figur Pablo Picasso in all ihren Facetten fassbar werden lässt.

KünstlerInnen: Rogi André, Richard Avedon, Cecil Beaton, Bill Brandt, Brassaï, René Burri, Robert Capa, Henri Cartier-Bresson, Chim, Lucien Clergue, Jean Cocteau, Denise Colomb, Robert Doisneau, David Douglas Duncan, Yousuf Karsh, Jacques-Henri Lartigue, Herbert List, Dora Maar, Mme d’Ora, Willy Maywald, Lee Miller, Gjon Mili, Inge Morath, Arnold Newman, Roberto Otero, Irving Penn, Julia Pirotte, Edward Quinn, Man Ray, Willy Rizzo, Gotthard Schuh, Michel Sima, Horst Tappe, André Villers

Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog im Verlag Hatje Cantz mit Beiträgen von Pierre Daix, Friederike Mayröcker, Katherine Slusher und Kerstin Stremmel.

Ichundichundich
Picasso im Fotoporträt
24. September 2011 bis 15. Januar 2012