Ich bin ein Schwein. Macht mich heilig

Im Stil der Dokufiktion entwirft Jana Gunstheimer Parallelwelten und persifliert gesellschaftliche Zustände, die im Spannungsverhältnis von Reality Soaps wie Big Brother und Überwachungs- und Disziplinierungsmaßnahmen der Gesellschaft zwar unheimlich und abschreckend, aber doch nicht unmöglich scheinen. Realität und Fiktion sind in ihrer Arbeit nicht mehr klar zu unterscheiden.

Die von Gunstheimer erfundene, weltweit agierende Scheinfirma Nova Porta konzipiert Maßnahmen zur Bewältigung von Risiken. "Wir sind überall", "Zerstörung ist Schöpfung", "Kommt die Kapitalgesellschaft zum Kochen, schwimmt der Abschaum obenauf" oder "Menschen brauchen Härte" sind Slogans mit denen Nova Porta agiert. Des Weiteren werden Zitate wie "Der erste Schritt zur sozialen Eingliederung ist, ausgebeutet zu werden" herangezogen, um die Firmenphilosophie zu untermauern. Die Zielgruppen für die Konzeption von Problembewältigungen sind Behörden, wie die "Staatliche Behörde zur Kanonisation" ebenso wie private Unternehmen oder Personen, etwa "Personen ohne Aufgabe".

Reservate zur Beobachtung von degradierten Menschen werden eingerichtet, Aufseher, die unter Ceausescu ausgebildet wurden, eingesetzt. Missbrauch, Bespitzelung und Selbstanzeigen werden ständig thematisiert – sie sind in den verschiedenen Programmen an der Tagesordnung. Durch die Aneignung bzw. Persiflage von neoliberalen sowie repressiven Mechanismen hinterfragt Gunstheimer gesellschaftliche und politische Zustände sowie den Umgang mit der europäischen Geschichte des letzten Jahrhunderts.

In ihrer Arbeit "Heiligsprechung", die erstmalig in Österreich in der Galerie im Taxispalais zu sehen sein wird, stellt sie ein Projekt der österreichischen Bundesregierung vor, die 1976 eine Staatliche Behörde zur Kanonisation (SBK) einrichtete, in Anlehnung an die katholische, kirchenrechtliche Heiligsprechung. Österreichische Bürgerinnen und Bürger konnten bei dieser Behörde für einen beträchtlichen finanziellen Beitrag die "Heiligsprechung" für sich oder auch andere beantragen. Persönliche Eitelkeiten, religiöser Fanatismus und andere Beweggründe veranlassten die BewerberInnen dazu, sich dem Eignungsverfahren zu unterziehen, das tief in die Privatsphäre eingriff und einem dubiosen staatlichen Voyeurismus unterlag. Obwohl die Behörde 1981 wieder geschlossen wurde, waren in dieser Zeit 8.625 Bewerbungen eingegangen, von diesen wurden allerdings nur drei Personen in den Stand von Nationalhelden erhoben.

Ein quasi dokumentarisches Archiv macht scheinbare Beweise über die fiktive Behörde zugänglich. Anträge, Briefe und täuschend echt gezeichnete Zeitungsberichte sowie an Schwarz-Weiß-Fotos erinnernde Aquarelle vermitteln Authentizität und geben der Erzählung einen realen Anschein. Die Geschichte scheint absurd und doch nicht abwegig im österreichischen Bürokratie- und Behördendschungel und in einem Land, in dem die katholische Kirche maßgeblich zur kulturellen Sozialisierung beiträgt.

Ausstellungskatalog: "Nova Porta. Maßnahmen zur Bewältigung von Risiken. Unter Aufsicht von Jana Gunstheimer". Hg.: Galerie Conrads, Düsseldorf, Galerie im Taxispalais, Innsbruck. 19,5 x 26,5 cm, 320 Seiten; Kerber Verlag, 2010, EUR 25,-

Ich bin ein Schwein. Macht mich heilig

24. Juli bis 12. September 2010
Eröffnung: Fr 23. Juli 10, 19 Uhr