Ibrahim Mahama - Dekonstruktion, Transport und Präsentation einer Diesellokomotive in Originalgröße

Die Kunsthalle Wien präsentiert eine groß angelegte Einzelausstellung von Ibrahim Mahama. Die Ausstellung versammelt eine völlig neue Gruppe von Auftragsarbeiten, darunter Skulpturen, Fotografien und Videos.

Mahama (* 1987 in Tamale, Ghana) bezieht sich auf das materielle Erbe von Kolonialismus, Postkolonialismus und Industrialisierung in Ghana. Durch das Sammeln, Archivieren und Zugänglichmachen von Objekten, Gebäuden und ephemerem Material verweist seine künstlerische Praxis auf Geschichten, die bislang nur unzureichend dokumentiert sind. Was mit Kisten von Schuhmacher:innen und gebrauchten Jutesäcken begann, hat sich zu einem umfangreichen Projekt ausgeweitet, das heute auch Lokomotiven, Flugzeuge, Getreidesilos und eine stillgelegte Glasfabrik umfasst. Diese Materialsammlung und die daraus entstandenen Arbeiten befinden sich in mehreren Institutionen, die Mahama in Tamale im Norden Ghanas gegründet hat. Zugleich dienen diese Orte als Atelier, Lernort und Ausstellungsraum und stehen der lokalen Bevölkerung als offene Ressourcen zur Verfügung. Zudem bieten sie eine Plattform für kontinuierliche Forschung.

Die Ausstellung in der Kunsthalle Wien vertieft Mahamas Auseinandersetzung mit der Geschichte des ghanaischen Eisenbahnnetzes, das in den 1890er-Jahren unter britischer Kolonialherrschaft entstand. Ein zentrales Element der Präsentation ist die Verwirklichung eines langjährigen Vorhabens: die Dekonstruktion, der Transport und die Präsentation einer Diesellokomotive in Originalgröße. Diese Lokomotive ist eine von mehreren britischen und deutschen Lokomotiven, die Mahama seit 2022 erworben hat. Ursprünglich konzipiert, um den Süden der Goldküste (heute Ghana) mit anderen britischen Kolonien in der Region zu verbinden, verlor das Eisenbahnnetz im Laufe des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung. Mahama lenkt den Blick auf den materiellen Verfall der Eisenbahnstrecke, indem er Überreste der Gleise und des Schienenfahrzeugs verwendet. Auf diese Weise macht er das belastende und zugleich prekäre Wesen kolonialer Strukturen sichtbar. „Mich interessiert die Vorstellung dieses schweren Materials, das in Wassernähe so zerbrechlich ist. Es kann sich innerhalb weniger Jahrzehnte auflösen. Also begann ich zu überlegen, wie ich es sammeln könnte. Die Schienen sind anders, sie bestehen aus massivem Gusseisen – es könnte tausend Jahre dauern, bis sie verrosten. Die Zugkörper hingegen sind dünnwandig und könnten in einem Jahrhundert verschwinden …“ Ibrahim Mahama

Mechanismen, Gefäße und Netzwerke, die für den Transport von Waren und Menschen eingesetzt werden, sind der Ausgangspunkt für eine Reihe neuer Werke. Diese befassen sich mit dem Beladen, Transportieren und Entladen von Gewicht sowie mit einer abstrakteren Vorstellung der Last der Geschichte. Die Überreste des Eisenbahnnetzes – ein industrielles System des Handels und Exports – werden in der Ausstellung mit Objekten und Bildern kombiniert, die auf den körperlichen Akt des Tragens von Lasten verweisen. Zentrales Element der Ausstellung ist eine Installation, in der eine Vielzahl emaillierter Eisengefäße – sogenannte „Headpans” – als Trägerkonstruktion für eine Lokomotive dienen. Diese „Headpans” sind ein in Ghana weit verbreitetes Gefäß, das zum Transport von Waren und Materialien verwendet wird.

Mahama sammelte Tausende dieser Schüsseln, indem er neue gegen gebrauchte eintauschte. Die beschädigten, verrosteten und verbeulten Objekte zeugen von intensivem Gebrauch. Unter dem Zug gestapelt, tragen sie eine Lokomotive, die als eine andere Art von Gefäß verstanden werden kann. Der Zug wurde in den 1960er-Jahren, dem Jahrzehnt nach der Unabhängigkeit des Landes, aus Deutschland importiert, um auf den Strecken eingesetzt zu werden, die für den Transport von Mineralien und Gütern wie Kaffee und Kakao zum Hafen und für den darauffolgenden Weitertransport nach Europa gebaut wurden. Diese Infrastruktur hat die Wirtschaft des Landes grundlegend geprägt, indem sie das Land für „Entwicklung” öffnete, gleichzeitig aber seine reichhaltigen natürlichen Ressourcen zerstörte. In Mahamas Skulptur wirkt die Lokomotive, als sei sie von innen ausgehöhlt – eine leere Metallhülle, die eine Leerstelle einschließt. Eine begleitende fotografische Serie zeigt den körperlichen Verschleiß, der durch das tägliche Tragen der sogenannten „Headpans” entsteht. Dazu gehören über 100 Röntgenbilder von Wirbelsäulendeformationen. Diese Bilder sind in ein Metallgerüst eingefasst, das dem Zug entnommen wurde. Gleichzeitig ist die Eisenbahn Symbol und System kolonialer und kapitalistischer Ausbeutung. Mahamas Kritik stellt sie als eine Infrastruktur dar, die buchstäblich auf dem Rücken der ghanaischen Bevölkerung errichtet wurde.

Der Ausstellungstitel „Zilijifa” spielt auf Begriffe und Redewendungen in Dagbani an, einer in Tamale weit verbreiteten Gur-Sprache. Mahama verknüpft das Wort für „Zug“ (ziliji) mit den Begriffen für Last (zili), Blut (zim) und Tierkadaver (jifa) sowie mit dem Ausdruck für das Tragen von etwas auf dem Kopf oder den Transport in einem Fahrzeug (zi-ra).

Ibrahim Mahama: Zilijifa
Bis 2. November 2025