I-Photo. Japanische Fotografie 1960–1970
Nach vielen Jahren macht das Museum der Moderne Salzburg sein Konvolut von rund 600 Originalabzügen japanischer Fotografie aus den 1960er- und 1970er-Jahren, das in den Anfangsjahren des Museums erworben wurde, erstmals wieder zugänglich. Den Auftakt einer zweiteiligen Ausstellungsreihe bildet "I-Photo. Japanische Fotografie 1960–1970 aus der Sammlung" mit Werken, die sich der Darstellung des Menschen und der sich verändernden japanischen Gesellschaft der Nachkriegszeit widmen.
Ab Beginn der 1960er-Jahre erlebt Japan ein starkes Wirtschaftswachstum und steigt zu einem der führenden Technologieproduzenten auf. Ein Vierteljahrhundert nach Kriegsende und den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki ist Japan mit der Expo’70 erster asiatischer Gastgeber einer Weltausstellung. Tokyo wächst zu einer gigantischen Stadt an und ist durch den Bau des internationalen Flughafens 1971 aus der ganzen Welt erreichbar. All dies beendet die jahrzehntelange Abschottung des Landes vom Westen.
Der damit einhergehende rasante Wandel betrifft auch die japanische Gesellschaft. Auf die Bildungs- und Agrarreformen in den1960er-Jahren sowie auf das Sicherheitsabkommen mit dem ehemaligen Aggressor, den Vereinigten Staaten von Amerika, reagieren Millionen von Japaner_innen mit Protesten. Das erweiterte Selbstverständnis des Landes findet durch eine neue dynamische Bildsprache Widerhall in der japanischen Fotoszene. Bezeichnend dafür sind die Reflexion der Wahrnehmung, die Suche nach neuen Ausdrucksformen des Selbst und die Neudefinition des Mediums Fotografie. Harte Schwarz-Weiß-Kontraste und aufgerissene, abstrakte Strukturen kennzeichnen dabei die Ästhetik der Bilder.
Der Begriff des "I-Photo", also des "Ich-Fotos", lehnt sich an das literarische Genre der Ich-Erzählung an. Die Fotograf_innen, die sich als Autor_innen verstehen, fassen das "I-Photo" als Mittel der Erforschung von Realität auf. Dabei ist die Fotoszene Japans höchst kontrovers und das thematische Spektrum reicht von erotischen Köperbildern bis hin zu politischen Statements. Für westliche Betrachter_innen wirken die Bilder zuweilen rätselhaft und verstörend, widersprechen sie doch der allgemeinen Vorstellung von Japan. Dennoch waren es zuerst westliche Institutionen, die bereits in den 1970er-Jahren japanische Gegenwartsfotografie in ihr Programm aufnahmen.
Unter dem Titel "Neue Fotografie aus Japan" organisierte Otto Breicha 1977 in Graz die erste europäische Ausstellung, deren damalige Exponate nun vom Museum der Moderne Salzburg in "I-Photo. Japanische Fotografie 1960–1970 aus der Sammlung" unter neuen Gesichtspunkten präsentiert werden. Neben den Fotografen um das Magazin Provoke (1968–1969), die in ihren Bildern die Wirklichkeit scheinbar in Einzelteile zerlegen, und den im Gegensatz dazu singuläre Positionen verfolgenden Künstlern Nobuyoshi Araki und Masahisa Fukase sind in der Ausstellung auch die Arbeiten der Gruppe Kompora zu sehen. Ihr Ziel war es, alltägliches Leben in distanzierter Bildsprache klar und genau widerzuspiegeln.
Mit Werken von Nobuyoshi Araki, Masahisa Fukase, Takashi Hanabusa, Bishin Jumonji, Daidō Moriyama, Masaaki Nakagawa, Shunji Ōkura, Issei Suda, Akihide Tamura, Yoshihiro Tatsuki, Shin Yanagisawa
I-Photo. Japanische Fotografie 1960–1970 aus der Sammlung
21. April bis 8. Juli 2018
A - 5020 Salzburg
W: http://www.museumdermoderne.at/
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