Nach einer beruflichen Karriere, die ihn nach einem Studium der Rechtswissenschaften als Entwicklungshelfer für die UNO nach Uganda, als Investmentbanker nach Wien, London und Mumbai sowie im Zuge der Realisierung eines Bergbauprojektes in den Kongo geführt hat, gibt der 1965 in Graz geborene Autor Paul Tremmel nun, 56-jährig, mit "Prantztal" sein Roman-Debüt.
In "Prantztal" schildert Tremmel das Leben des Bauernsohnes Hans Kaiblinger, der 1969 in einem obersteirischen Gebirgstal zur Welt kommt, nach einer Kindheit in emotionaler Verwahrlosung seine ersten Liebes- und Freundschaftsbande knüpft und nach deren Zerreißen in einer sich immer schneller abwärts drehenden Spirale zum Säufer wird. Nach seiner Bundesheerzeit und ein paar bitteren Arbeitsjahren auf dem elterlichen Hof geht Hans nach Wien, um als Bauarbeiter ein Auslangen zu finden. Dem folgt der weitere, soziale Absturz durch Arbeitslosigkeit und Alkoholabhängigkeit. Als Obdachloser im Wiener Naturparadies Lobau lebend, lernt er dort Wolfgang kennen, der sich nach dem Verlust seiner Familie ebenfalls dorthin zurückgezogen hat und gleichsam das Leben eines Eremiten führt. Wolfgang wird zum guten Freund von Hans, und er ist es auch, der ihn dazu bewegen kann, hinaus in die Welt zu gehen, respektive ein paar Tage in den Südtiroler Dolomiten zu verbringen. "I bin koa Sandla mehr", spricht Hans auf dem Weg in den Süden zu sich und es beginnt eine Art Läuterungsprozess.
Im Grunde genommen handelt es sich bei "Prantztal" um einen Entwicklungsroman. Tremmel beschreibt in einer schnörkellosen, teils beklemmenden Sprache das Schicksal eines in die bäuerliche Enge hineingeborenen Jungen, der unter der Fuchtel einer diktatorisch das Regiment führenden Mutter dahin leidet. Einer Mutter, die ihm auch die Liebe seines Lebens zerstört. Eigentlich ist das gesamte dörfliche Umfeld von Rücksichtslosigkeit, Saufen, Unmenschlichkeit und Verrohung in allen Lebensbereichen geprägt. Dem klassischen Entwicklungsroman folgend, versetzt sich Hans irgendwann einen Stoss und beschliesst, sich aus dieser drückenden Enge zu vertschüssen. Er zieht in die Welt, respektive in die Metropole Wien. Jedoch durchlebt er hier zunächst weitere harte Schicksalsjahre am Bau und im Suff, um sich letztlich aber doch selber am Schopf aus dem Sumpf zu reissen und geläutert in die alte Heimat zurückzukehren.
Am Sterbebett seines Vaters sitzend, kommt er diesem sehr nahe. Und in der Folge findet er in seinem Heimattal erstmals so etwas wie ein menschliches Ankommen. Er erhält einen Job als Holzarbeiter und erfährt nun im Ort und von seinen Bewohnern diejenige Anerkennung, die ihm immer gefehlt hat. Allerdings verünglückt Hans bei einem Arbeitsunfall tödlich und geht dieses neuen Lebens verlustig, das gerade erst begonnen hatte, für ihn als ein gelingendes erfahrbar zu werden.
Tremmel verzichtet in seinem Text auf barocke Ausschmückungen. Die knappe Sprache und die kurzen Sätze geben dem Geschriebenen eine überaus rhythmische Struktur. Mitunter liest sich die Geschichte wie ein Krimi, sie lässt sich in einem Guß bewältigen. Solcherart wird der Leser bei der Stange gehalten und evoziert bei ihm entsprechende Empathien für den Protagonisten. „Prantztal“ ist ein sehr eigenständiger Text, dennoch fühlt man sich beim Lesen an Franz Innerhofers großen Roman „Schöne Tage“ erinnert, oder an die heimatkritischen Texte eines Thomas Bernhard.
Großes Lob für diesen Erstling erhält der Autor, der in seiner Freizeit gerne alte Motorräder repariert, bereits im Vorwort, das Felix Mitterer geschrieben hat. Mitterer wörtlich: "Der Dichter Paul Tremmel hat eine intensive Begabung, und er weiß, wovon er spricht. Ein vollkommener Text ist ihm gelungen. Das hätte ich gerne geschrieben – großartig!"
Paul Tremmel: Prantztal
Vorwort: Felix Mitterer
136 Seiten, 16 x 24 cm, Wien 2021, ISBN 978-3-9504404-6-1