Hundertwasser, Japan und die Avantgarde

Das Werk von Friedensreich Hundertwasser zählt zu den bedeutendsten österreichischen Beiträgen innerhalb der Kunstgeschichte der Nachkriegsmoderne. Seine immense Popularität einerseits, seine radikale Haltung gegenüber essenziellen Fragestellungen des 20. Jahrhunderts andererseits machten Hundertwasser zum vielfach unverstandenen, rätselhaften Einzelgänger.

Die Ausstellung "Hundertwasser, Japan und die Avantgarde" versucht, gegen jene eingefahrene Mythisierung anzugehen, stellt sich der Aufgabe der Neuentdeckung vor allem seines Frühwerks und eröffnet neue Sichtweisen auf sein künstlerisches Schaffen. Dabei werden die Beziehungen des Künstlers zu Japan in den 1950er Jahren sowie seine Bedeutung innerhalb der internationalen Avantgardebewegung eingehend beleuchtet. Die Ausstellung vereint erstmals in Wien gezeigte Meisterwerke Hundertwassers mit Arbeiten von Shinkichi Tajiri, Akira Kito, Yves Klein, Lucio Fontana, Pierre Alechinsky, Constant, Corneille, Sam Francis und Mark Tobey, die ebenfalls erstmals unter dem Aspekt der fernöstlichen Einflüsse gemeinsam mit Hundertwasser präsentiert werden.

Wie die zahlreichen im Zuge der Ausstellungsvorbereitung erforschten Dokumente zeigen, war Friedensreich Hundertwasser ein geschickter Netzwerker und zielstrebiger Künstler, dessen Arbeiten bereits Mitte der 1950er-Jahre auch am internationalen Kunstmarkt hohe Preise erzielten. Zugleich galt er vielfach als geheimnisvoller und unverstandener Außenseiter, da sich seine Auffassung von Kunst und Leben, deren Sphären er eng miteinander verbunden wissen wollte, nicht mit den tradierten abendländischen Denkweisen vereinen ließ. Tatsächlich war er bereits in den 1950er-Jahren mit seiner Idee eines künstlerischen Schaffens jenseits der festgefahrenen Kunstbegriffe ein Vorreiter der Avantgarde der späten 1960er-Jahre. Mit seinen Arbeiten, die Performance, Malerei, soziale Intervention und gesellschaftspolitisches Statement in sich vereinen, ebnete Hundertwasser neue Wege in der Kunst und reiht sich somit unter die bedeutenden Vertreter der internationalen Avantgarde.

In den 1950er Jahren näherten sich viele Künstler ihrem Metier auf eine davor nie dagewesene Weise und definierten die Relationen zwischen Künstler und Betrachter, sowie Werk und Welt auf eine neue, abstrakte Art. Fernöstliche Denker wurden zu einer wesentlichen Inspirationsquelle für viele westliche Künstler – die ganzheitliche Kunstauffassung von damals orientierte sich häufig an den prozessorientierten Denkansätzen aus China und Japan. Hinzu kam die Rezeption des Zen-Buddhismus als willkommener Impuls für viele Künstler in Nordamerika und Europa, vor allem in Paris. Hundertwasser verstand es, diese tradierten fernöstlichen Weisheiten neben der wissenschaftlich-analytischen Denktradition Europas für sein künstlerisches Schaffen individuell umzudeuten. Sein zentrales Werk Der große Weg aus dem Bestand des Belvedere steht beispielhaft für das Zusammenspiel fernöstlicher Philosophie und westlicher abstrakter Kunst.

Die Ausstellung vereint erstmals Werke Hundertwassers mit jenen seiner Weggefährten und Künstlerkollegen, die ebenfalls im Studium fernöstlicher Denktraditionen Inspiration für ihre Arbeiten fanden. Gezeigt werden u.a. Werke von Lucio Fontana, Yves Klein sowie japanischer Avantgardisten wie Shozo Shimamoto, Akira Kito oder Shinkichi Tajiri, die die Verbindungen von japanischer Kultur und westlicher Avantgarde veranschaulichen. Die Schau leistet mit der Wiederentdeckung von Hundertwassers Frühwerk einen wichtigen Forschungsbeitrag innerhalb der österreichischen Kunstgeschichte und zeigt auf, wie zeitgemäß und bedeutend sein ganzheitlicher Ansatz in Bezug auf das menschliche Dasein war. Gerade die gegenwärtige Rückbesinnung auf ein holistisches Welt- und Menschenbild sowie ein ökologisches Bewusstsein macht Friedensreich Hundertwassers Werk aktueller denn je.

Hundertwasser, Japan und die Avantgarde
6. März bis 30. Juni 2013